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jenes Ereigniss in Petersburg, welches in Paris momentan ein Abkommen mit Oesterreich als erspriesslich erscheinen liess, schwächte in Wien die Geneigtheit dazu unter den angetragenen Bedingungen ab.

Der Thronwechsel in Petersburg erregte die österreichischen Staatsmänner. Anfangs war es nicht die Perspective einer Erneuerung der russischen Allianz, obwohl noch immer das heisse sehnsuchtsvolle Streben der Staatskunst an der Donau, welche dabei in Betracht kam, sondern zunächst blos der Einfluss, den dies Ereigniss auf die Verhandlungen in Paris ausüben würde. Man hoffte, dass Napoleon sich nun vielleicht gefügiger zeigen dürfte, um Oesterreich nicht in das Lager Russlands zu treiben und die Bildung einer englischrussisch-österreichischen Allianz zu hindern. Vorläufig rechnete man in Wien auch nicht darauf, dass der russische Thronfolger in neue Bahnen einlenken werde. Alexanders wenig energischer Charakter flösste kein Vertrauen ein; man vindicirte seiner Frau einen grossen Einfluss auf die Geschäfte, und diese neigte durch Erziehung, Charakter und überlieferte Politik zu Preussen, welches ohnehin in Petersburg eine starke Partei besass, indem sogar Männer, die einem Bündnisse Russlands mit Oesterreich das Wort redeten, wie Panin, einer Vergrösserung Preussens nicht entgegen waren. Je weniger jedoch die Erwartungen sich erfüllten, die man hinsichtlich einer Nachgiebigkeit Napoleons hegte, desto stärker wurde die Neigung, die alten Beziehungen zu Russland anzuknüpfen. War es doch schon bei Lebzeiten Pauls beschlossene Sache, den Versuch zu einer Wiederherstellung der intimen Bande zu wagen. Das Bündniss mit Russland war ein Axiom der österreichischen Politik im 18. Jahrhundert und ein wesentlicher Punkt des politischen Systems des Fürsten Kaunitz, in dessen Schule die österreichischen Staatsmänner herangebildet waren. Ludwig Cobenzl rieth selbst in den Tagen rosiger Hoffnungen von Paris aus, eine Brücke ausfindig zu machen, die nach Petersburg führen könnte. Lebendiger und lebhafter wurden diese Rathschläge nach der Ermordung Pauls. Cobenzl predigte Bekehrten. Ohnehin hatte der neue Czar dem Kaiser in einem Schreiben seine Thronbesteigung angezeigt und Franz fast gleichzeitig, ehe noch der Brief angelangt war, seine Glückwünsche nach Petersburg gesendet, zugleich aber den Wunsch nach Herstellung der

alten Beziehungen ausgesprochen, wovon eigentlich das Geschick Europas abhänge. Die Antwort des Czaren war eine sehr freundliche, und die Absendung des Fürsten Schwarzenberg nach Petersburg wurde beschlossen. Die Instructionen lauteten einfach: Wiederherstellung und Befestigung der intimen Beziehungen durch Eröffnung einer unmittelbaren Correspondenz zwischen den beiden Souveränen, in ähnlicher Weise, wie dieselbe unter Josef und Katharina bestanden. Schwarzenberg sollte den Gerüchten über die bedenklichen Absichten Oesterreichs bei der bevorstehenden Entschädigung entgegentreten, auch den Wahn zu zerstreuen suchen, als sei man bei Wiederherstellung eines guten Vernehmens mit Russland nur von dem geheimen Wunsche geleitet, eine Unterstützung zu einem neuen Coalitionskriege gegen Frankreich zu erhalten. Selbstverständlich sollten die russischen Staatsmänner für die österreichische Auffassung in der Entschädigungsfrage gewonnen werden. Ohne in Einzelnheiten einzugehen, sollte Schwarzenberg im Allgemeinen hinweisen, dass Russland gegen die einzig entsprechende Entschädigung des Grossherzogs keinen Grund zum Widerspruche habe. Noch kannte man die Gesinnungen des jungen Monarchen Preussen gegenüber nicht, in dieser Beziehung war

1 Am 20. April schrieb Alexander an Franz bei der Sendung Murawieff's nach Wien, dem die Aufgabe zufiel, von dem Ableben Pauls den Wiener Hof zu benachrichtigen. Er nennt den Monarchen Oesterreichs ancien ami et allié de ma maison. Murawieff sei beauftragt, Kenntniss zu geben, ,combien je suis disposé a entretenir avec V. M. I. tous les rapports, toutes les liaisons d'interêt et d'amitié qui ont substitué entre nos deux empires, et combien j'aurai la satisfaction a concourir à leur rétablissement'. Am 24. antwortet Alexander auf die von Franz erhaltenen Briefe vom 17. und 18. April: „. . . Je partage sincèrement les bonnes intentions qui l'animent (nämlich mein Ministerium) par l'affermissement de l'heureuse union cimentée entre les deux empires par leurs intérêts mutuels, mais je ne veux point me refuser le plaisir de lui réiterer moimême, que je saisirai avec empressement chaque occasion que V. M. voudra m'offrir pour faire tourner à l'avantage général notre confiance reciproque et concourir ainsi d'un pas égal à la prospérité future de l'Europe, objet de ma plus vive sollicitude.

Il ne dépendra que de V. M. de hâter le développement de ces vues salutaires, de reconnaître par chacune de mes actions que je me fais un principe d'agir envers elle, comme si rien n'avoit altéré les liens qui unissent nos deux Cours et qu'il me sera toujours agréable de pouvoir céder sans reserve à l'impulsion des sentimens d'amitié etc.'

Vorsicht geboten, und der Gesandte war daher beauftragt, das Terrain zu sondiren.'

In einem eigenhändigen Schreiben schilderte Franz die Sachlage in eingehender Weise. Seitdem durch unglückliche Missverständnisse und Intriguen die engen Bande zwischen den beiden Kaiserhöfen gelöst worden waren, habe die Keckheit der Feinde der guten Ordnung und der bestehenden Regierungen nur zugenommen. Nur durch die harten Missgeschicke, welche die österreichischen Heere nach früheren glänzenden Erfolgen erlitten, sei Oesterreich zum Abschlusse des Friedens von Luneville genöthigt worden, der es keineswegs für die erlittenen harten Verluste entschädigt habe. Man habe jedoch die Opfer zur Wiederherstellung der Ruhe gebracht, und sich selbst darüber hinweggesetzt, dass der Grossherzog von Toscana. und der Herzog von Modena in keiner Weise vollständig für die in Italien gemachten Abtretungen entschädigt worden seien. Indess sei noch mancherlei unbestimmt und trotz aller Bemühungen sei Frankreich zu keiner positiven Erklärung zu bringen, in dessen Interesse es liege, Alles in der Schwebe zu lassen, um neue Verlegenheiten, die es ausbeuten könne, hervorzurufen. Der Kaiser setzte sodann seine Gedanken über die Art und Weise, wie das Entschädigungsgeschäft zum Abschluss gebracht werden könnte, auseinander und erbat sich die Ansichten Alexanders, da von einer Verständigung Oesterreichs und Russlands Alles abhinge. Württemberg, Baden und Preussen sollten für ihre Verluste voll entschädigt werden, wenn sie ihre Forderungen nicht so hoch schrauben, dass deren Erfüllung den Umsturz der deutschen Verfassung zur Folge hätte, deren Erhaltung, sowie auch die Belassung der drei geistlichen Kurfürsten nothwendig sei.2

Die Antwort Alexanders vom 7. Juli, so sehr sie sich in freundschaftlichen Formen bewegte und an manchen Stellen sogar einen innigen Ton anschlug, konnte in Wien doch nicht volle Befriedigung erwecken. Zwar das Geständniss des Czaren, dass für die Sicherheit Italiens und Deutschlands noch Alles zu thun sei, musste in Wien Widerhall erwecken, aber sonst

1 Punctation für den Feldmarschall-Lieutenant Fürsten Schwarzenberg 27. Mai 1801.

2 17. April und 26. Mai 1801, Franz an Alexander.

war aus dem ganzen Briefe in keiner Weise zu entnehmen, dass Alexander in den der Regelung bedürftigen Angelegenheiten die an der Donau herrschenden Ansichten theilte. Der Mangel an Einigkeit unter den grossen Staaten sei an allem Uebel schuld, setzte Alexander auseinander. Der Czar kündigte gleichzeitig an, dass Murawieff 'demnächst einen Plan vorlegen werde, in welcher Weise die Entschädigungsangelegenheit geregelt werden könnte. Nur in einem Punkte stimmte man in Petersburg mit der österreichischen Auffassung überein, dass es vorzuziehen wäre, wenn der Grossherzog in Italien seine volle Entschädigung erhielte, auch erhalte Markoff, der im Begriffe stehe, sich nach Paris zu begeben, den Auftrag, in dieser Richtung thätig zu sein.

Die Hoffnungen, die man auf die Sendung Schwarzenbergs setzte, schienen sich vollauf zu realisiren. Seine Ankunft in Petersburg am 21. Juni - fiel mit der Entlassung Pahlens fast zusammen. In sämmtlichen Kreisen erfreute er sich einer zuvorkommenden, ungemein freundlichen Aufnahme. Kurakin sprach zu ihm von dem lebhaftesten Wunsche Alexanders, die intimen Beziehungen zwischen den beiden Staaten herzustellen. Ein von Trautmannsdorf ausgearbeitetes Memoire, welches einem Briefe desselben an Kurakin beilag, machte den besten Eindruck. Panin liess sich vernehmen, man habe bisher entschieden eine falsche Richtung eingeschlagen, es bleibe nun nichts übrig, als dieselbe zu verlassen; eine Aeusserung aus dem Munde des alleinigen Leiters des Ministeriums des Auswärtigen, die in Wien ungemein erfrischend wirkte. Denn was konnte sie anderes besagen, als dass Russland sein ehemaliges politisches System, die Allianz mit Oesterreich, wieder aufzunehmen gesonnen sei. Und dem Czaren muthete Schwarzenberg selbstständige Ideen nicht zu, er machte auf den österreichischen Gesandten den Eindruck, dass er sich ganz von seinen Ministern leiten lassen werde. Fürst Schwarzenberg musste in seinen Ansichten bestärkt werden, wenn er damit die Nachrichten verglich, die ihm über die Erfolge der gleichzeitigen Sendung Durocs zugingen. Von Alexander wurde der

On a pris ici une route entièrement fausse, il n'y a pas d'autre moyen que de l'abandonner, et d'en reprendre une autre. Schwarzenberg, 9. Juli 1801.

französische Abgesandte zwar mit grosser Liebenswürdigkeit behandelt, aber die Minister erklärten ihm, dass Russland die Interessen derjenigen deutschen und italienischen Fürsten, die sich nach Petersburg um Unterstützung gewendet, nie fallen lassen werde.

Die russischen Staatsmänner schienen damals in der That geneigt, sich in eine Verbindung mit Oesterreich einzulassen, und erwarteten von Schwarzenberg hierauf bezügliche Anträge. Allein dessen Weisungen schrieben ihm blos im Allgemeinen vor, die russischen Kreise für Oesterreich günstig zu stimmen und die Aufnahme der früheren intimen Beziehungen anzubahnen. Zweifel über die Aufrichtigkeit, ja über die ganze Richtung der österreichischen Politik erwachten. Duroc versäumte nicht, durchsickern zu lassen, dass es nur von Napoleon abhänge, Oesterreich innig an sich zu ketten. Die Erspriesslichkeit eines Bündnisses zwischen Oesterreich und Frankreich war zwischen Ludwig Cobenzl und Josef Bonaparte oft erörtert worden, und Duroc machte von den Aeusserungen des österreichischen Vertreters hinlänglichen Gebrauch und steigerte den ohnehin regen Verdacht der russischen Kreise. Panin erwähnte in seinen Gesprächen des Gerüchtes, dass Oesterreich beabsichtige, sich mit Frankreich über eine Theilung der Pforte zu verständigen; Alexander, fügte er hinzu, werde dies nie billigen, wenn er auch sonst in die Bahnen Katharina's einlenke, in dieser Hinsicht sei er anderer Meinung. Auch spreche man von einer Allianz zwischen Oesterreich und Frankreich, ähnlich der vom Jahre 1756, in diesem Falle werde man in Wien zwischen Paris und Petersburg wählen müssen. Auch aus anderen bestimmten Aeusserungen geht hervor, dass die Tendenz der russischen Politik auf eine Verständigung mit Wien und Berlin gerichtet war, um sodann in Paris eine energische Sprache zu führen, und die russischen Minister hofften um so mehr auf die Möglichkeit, diese Pläne zu verwirklichen, da aus Berlin Berichte meldeten, dass man daselbst im Wesentlichen mit den von Oesterreich bezüglich der Entschädigung aufgestellten Grundsätzen übereinstimme.

Dennoch war der Aufenthalt Schwarzenberg verhängnissvoll für Oesterreich. Die russischen Minister wünschten, sich

1 17. August 1801, von Schwarzenberg.

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