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dem päpstlichen Hofe ventilirte Frage über die Errichtung des Bisthums Łukow. Den Herzogen Kasimierz von Kujavien und Bolesław von Krakau war es um das Jahr 1353, in Folge uns unbekannter Ereignisse, geglückt, den in der früheren Wojewodschaft Podlachien zwischen dem Lubliner Lande und Rothreussen wohnenden litthauischen Stamm der Jazwigen zur Annahme des Christenthums zu bewegen. In dem erwähnten Jahre hatte Innocenz IV. jenen beiden Fürsten erlaubt die sich Bekehrenden unter ihre Herrschaft zu nehmen 2, und im folgenden Jahre 1254 am 13. Juli seinem damaligen Legaten, dem Abt von Messana, und dem Bischofe von Krakau den Auftrag gegeben, für jene neue Errungenschaft des Christenthums in Łukow ein eigenes Bisthum zu errichten, falls der Bischof von Krakau, zu dessen Sprengel der Ort gehörte, wegen zu grosser Entfernung oder wegen Unzugänglichkeit der Gegend nicht in der Lage wäre seinen Pflichten des christlichen Unterrichtes der Neubekehrten nachzukommen. 3 Die Stiftung kam damals nicht zu Stande. Wohl aber bemühte sich der Minorit Bartholomäus, ein Böhme, thätig um die Verbreitung des Christenthums in jener Gegend, und als Herzog Bolesław die inzwischen in Łukow erbaute Burg den Tempelrittern übergeben hatte, wandte er sich im Verein mit seiner frommen Schwester Salome und dem Herrmeister der Templer in Slavien und Deutschland von Neuem an den Papst mit der Bitte, in die Errichtung eines Bisthums und die Erhebung des Bartholomäus zum ersten Bischofe zu willigen. Alexander IV. trug am 1. Februar 1257 dem Erzbischofe von Gnesen und dem Bischofe von Krakau auf die Sache genau zu untersuchen, namentlich ob dabei das Interesse des deutschen Ordens nicht beeinträchtigt werde. Die Errichtung des Bisthums Łukow kam auch damals, so viel wir wissen, nicht zu Stande, aber der Bischof Wilhelm

1 Roepell, Geschichte Polens I. S. 529.

2 Ebd. S. 512 Anm. 48.

3 Raynald, Annales ecclesiastici XIII., Coloniae Agrippinae 1682, An. 1254, Nr. 26. Potthast, Regesta pontificum Romanorum, Berolini 1874, n. 15459. 4 Theiner, Mon. Pol. I. S. 72, Nr. 143. Potthast, Regesta, Nr. 16709. Der Brief des Papstes Alexander IV. an den Erzbischof von Gnesen in derselben Angelegenheit bei Długosz, Hist. Poloniae I. col. 770 ad. an. 1264, doch ohne Tagesdatum, scheint eine apokryphe Umarbeitung des päpstlichen Schreibens bei Theiner a. a. O. zu sein.

von Lebus gerieth in Besorgniss, dass der neuzuernennende Bischof von Łukow von Podlachien aus seine Jurisdictionsrechte über Reussen ausdehnen könnte, zumal ihn der Vorwurf der Vernachlässigung seiner Amtspflichten in Rothreussen ebensogut treffen konnte, wie den Bischof von Krakau wegen der Jazwigen. In dieser Besorgniss stellte er dem Papste Alexander IV. vor, dass seine Vorgänger seit undenklichen Zeiten in dem Besitze der geistlichen Jurisdiction über alle Katholiken in Reussen gewesen seien und dass er selbst noch jetzt in diesem Besitze sich befinde. Da er jedoch wegen des grossen Ländercomplexes, der Treulosigkeit der dortigen Beherrscher und der Böswilligkeit der Bewohner nicht im Stande sei diese seine Diocese zu visitiren, so bitte er, dass ihm darüber seine Anrechte nicht verloren gehen.

Die päpstliche Bulle vom 11. Februar 1257 entscheidet die Sache dahin, dass die Ansprüche des Bischofes von Lebus anerkannt werden und demselben aus der zwangsmässigen Vernachlässigung seiner Berufspflichten kein Präjudiz für die Zukunft zu erwachsen habe. 1

Seit dieser Zeit waren also die Ansprüche der Bischöfe von Lebus auf die geistliche Jurisdiction im Russinenlande rechtlich anerkannt, und es hielten jene an derselben nicht bloss mit der grössten Hartnäckigkeit fest, sondern sie gingen in diesen ihren Ansprüchen noch weiter, indem sie sich im 14. Jahrhunderte das Recht anmassten für die russinischen Provinzen Bischöfe zu bestellen, Ansprüche, mit welchen sie der päpstlichen Curie selbst Concurrenz machten, da nach den Grundsätzen des kanonischen Rechtes die Besetzung neuzuerrichtender oder lange unbesetzt gebliebener Bisthümer entweder dem Papste selbst oder dessen speciell damit beauftragten Legaten vorbehalten war.

Der erste Fall dieser Art ereignete sich, als am Beginne des 14. Jahrhundertes die katholische Propaganda in den russinischen Provinzen so erfreuliche Fortschritte gemacht hatte, dass Stadt und Volk von Kiew einen katholischen Bischof verlangten. Damals behauptete Bischof Stephan II. von Lebus (1317-1345), er besitze ein Privilegium in den dem Schisma

1 Theiner, Mon. Pol. I. p. 73 Nr. 144. Potthast, Regesta pontificum Nr. 16726.

abgenommenen Gegenden Bischöfe bestellen zu dürfen, und ernannte auf Grund dieses Privilegiums Heinrich den Lector des Dominicanerklosters zu Pasewalk zum Bischofe von Kiew. Die Angelegenheit wälzte sich selbstverständlich bis zu der päpstlichen Curie fort. Denn der Elect von Kiew, über die Competenz des Bischofs von Lebus zweifelnd, begab sich persönlich an den päpstlichen Hof zu Avignon und legte hier seine Würde zu Füssen des apostolischen Stuhles nieder. Der Papst Johann XXII. ertheilte ihm zwar auf einem Cardinalcollegium in Anerkennung seiner loyalen Haltung von Neuem seine bischöfliche Würde (15. December 1320), 1 worauf ihm nach erhaltener Consecration die Befugniss ertheilt wurde (18. Februar 1321)2 seine Diocese anzutreten aber der ganze Vorgang hatte gewiss an dem päpstlichen Hofe viel Aergerniss hervorgerufen.

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Die päpstliche Curie war nie gewohnt innerhalb der Kirche Autoritäten zu dulden, welche in die Befugnisse der höchsten Autorität eingriffen, und wenn wir sechs Jahre darauf den Bischof von Lebus Stephan in Avignon finden, so liegt es ausser allem Zweifel, dass seine Reise mit dem ebenerwähnten Ereignisse im Zusammenhange steht. Der Bischof hatte dem päpstlichen Hofe jene weitläufigen Erörterungen über den einstigen Sitz der Bischöfe von Lebus in Wladimir vorgetragen, deren wir schon oben erwähnten und von denen die Curie so wenig verstanden hatte, dass die in dieser Angelegenheit an den Erzbischof von Gnesen unter dem Datum 1. März 1327 erlassene Bulle, worin demselben aufgetragen wurde, die ganze Sache einer näheren Untersuchung zu unterziehen, wohl zu den unverständlichsten gehört, die je die päpstliche Canzlei in Betreff reussischer Bisthümer verlassen hatten. 3

Es ist uns nicht bekannt, wie der Erzbischof von Gnesen die Sache erledigt hat. Aber als es sich zur Zeit Kasimirs um die Begründung einer römischen Hierarchie in Rothreussen und Wladimir handelte, traten bei der ersten Besetzung der Bischofsstühle die päpstliche Curie und der Bischof von Lebus noch einmal als concurrirende Autoritäten auf, und diese Concurrenz gibt uns den einzigen Schlüssel zum Verständniss der

1 Theiner, Mon. Pol. I. 162 Nr. 252.

2 Ebd. p. 167 Nr. 255.

3 Ebd. p. 295 Nr. 376.

vielen Unklarheiten, welche in der ganzen Gründungsgeschichte bis nunzu obwalteten.

II.

Die Propaganda der Dominicaner und Franciscaner im 13. Jahrhunderte. Die Versuche der päpstlichen Curie römisch-katholische Bischöfe für Rothreussen zu ernennen.

Fragen wir nun: welches ist der Zustand der römischen Kirche, den Kasimir der Grosse bei seiner Eroberung Rothreussens in diesem Lande vorfand, und sind die Bisthümer, welche zu seiner Zeit daselbst errichtet wurden, bloss eine Wiederherstellung früher schon bestandener Bisthümer, oder sind sie in jenen Gegenden durchaus neue Institute? Ersteres behaupten fast ohne Unterlass die päpstlichen Bullen des 14. Jahrhundertes, eine Behauptung, welche, wenigstens in dem Sinne wie dieselbe die Päpste verstanden haben, mit der Wahrheit durchaus nicht übereinstimmt. Trotzdem lässt es sich nicht läugnen, dass vereinzelte Versuche zur Ernennung römisch-katholischer Bischöfe für Reussen bereits im 13. Jahrhunderte gemacht wurden, obgleich sich der Antheil, den die päpstliche Curie daran hatte, nicht in jedem Falle bestimmen lässt.

Die Geschichte jener Bestrebungen der päpstlichen Curie hängt mit den ersten, wenn auch bloss vorübergehenden Fortschritten zusammen, welche der Katholicismus am Beginne des 13. Jahrhundertes in jenen Gegenden machte. Damals waren es die Bettelorden der Dominicaner und Franciscaner, welche mit voller Kraft einer noch jugendlichen Institution das Bekehrungswerk der Ruthenen in Angriff nahmen und von denen besonders die ersteren in der Person des heil. Hyacinthus Odroważ einen ebenso energischen als aufopferungsvollen Verfechter ihrer Ideen fanden. Die Propaganda selbst wurde theils begünstigt theils veranlasst durch das eben damals statthabende erfolgreiche Eingreifen der Krakauer Herzoge in die Angelegenheiten Rothrusslands, wobei sie sowohl als die Ungarn ihren daselbst erlangten Einfluss durch Verbreitung des katholischen Glaubens zu befestigen suchten.

Die Tradition des Dominicanerordens knüpft die Errichtung von Dominicanerconventen fast in allen bedeutenden Orten Kleinrusslands an den Namen des heiligen Hyacinthus. 1 Hiernach hat derselbe im Jahre 1228 bei seiner persönlichen Anwesenheit in Kiew den ersten Dominicanerconvent Kleinrusslands gegründet.2 Allerdings wurden seine Glaubensgenossen schon fünf Jahre darauf, im Jahre 1233, durch den Fürsten Wladimir von Kiew, welchen die grossen Fortschritte des Katholicismus beängstigten, aus dieser Stadt vertrieben, 3 womit übereinstimmt, dass im folgenden Jahre 1234 die katholischen Bürger Kiews durch Papst Gregor IX. in den Schutz des heiligen Petrus aufgenommen werden. 4

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Nichts destoweniger folgten dieser ersten Gründung bald neue in Halicz (1238) und fast gleichzeitig in Przemyśl und Lemberg. An dem letzteren Orte nahmen die Dominicaner, wahrscheinlich im Jahre 1234, die noch heute bestehende älteste katholische Kirche Lembergs, die Capelle des heil. Johannes in ihren Besitz. Aus diesem Locale übersiedelten sie 1270 auf den Platz ihres heutigen Conventgebäudes, welcher ihnen durch Constanze, die Tochter Bela's IV. von Ungarn und Mutter Leo's Daniłowicz, angewiesen wurde.7

Auch der zweite grosse Bettelorden des 13. Jahrhundertes, die Franciscaner, welcher erst ein Decennium später (1237) in Polen Eingang fand, soll schon im Laufe des 13. Jahr

1 Vgl. Barącz, Rys dziejów zakonu kaznodziejskiego w Polsce, we Lwowie 1861, I. p. 76 f.

2 Barącz, w. o. II. p. 434. Vgl. Okolski, Russia florida rosis et liliis, Leopoli 1646, p. 115-118.

3 Długosz, Historia Polonica, I. Bd. p. 649.

4 Theiner, Mon. Pol. I. p. 25 Nr. 55. 56. Vgl. damit p. 23 Nr. 47. 48. 5 Długosz, I. p. 661.

6 Barącz, II. 325. Bzovius, Propago D. Hyacinthi Thaumaturgi Poloni, Venet. 1606, p. 8 u. 101. Nowomieyski, Phoenix Ord. Praed., Poznaniae 1752, p. 223. Ostrowski, Dzieje i prawa kościoła polskiego, II. 43.

7 Widmann, Kościoł sw. Jana Chrzciciela we Lwowie, Lwów 1869, p. 49. Vgl. Okolski a. a. O. p. 70 f. Barącz II, p. 443. Maciejowski, Pamiętniki o dziejach piśmiennictwie i prawodawstwie Słowian, w Peterzburgu i w Lipsku 1839, I. S. 191.

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