Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Vicekanzler, die schönste Gelegenheit am Hofe des Königs Władysław (Jagiełło),multa oculis pervidere et singulatim quae tunc agebantur fideli reminiscencia notare et congerere. Als er aber das culmen pontificale erreicht hatte, und Bischof von Posen geworden war, so schied er damit zwar noch keinesweges ganz und gar aus den öffentlichen Geschäften, aber diese wurden für ihn anderer Art, und er konnte nicht mehr ,pro qualitate negotiorum et agendorum ubique adesse',1 und namentlich konnte er von sich sagen, dass er nicht, wie jener Chelmer Bischof,usque eciam ad domini regis hiatum in curia perstitit et versabatur. Eine Schwierigkeit könnte darin gefunden werden, dass der Verfasser des Briefes den Adressaten ,beerben will, und die Befürchtung des Verlustes der Schriften nach dessen Tode in einer Art bespricht, die doch nur unter Umständen nicht unzart wäre. Diese liegen aber hier vor. Hat nämlich Stanisław Ciołek den Brief geschrieben, so muss es zwischen 1434, dem Tode des Königs Jagiello, und 1438 seinem eigenen Tode geschehen sein. Nehmen wir die mittlere Jahreszahl 1436 an. Damals war Ciołek (vgl. Lib. canc. I, 6 [324]) 54 Jahre, und Johann von Opatowiec, wie wir bestimmt wissen, 60 Jahre alt. 2 Nun mochte wohl zwar nicht leicht ein Mann von 54 Jahren davon reden, dass er einen von 60 zu beerben gedenkt, aber in diesem Falle ging es doch an, denn Johann von Opatowiec hat doch sicherlich den Beinamen,Episcopellus' wegen einer gewissen körperlichen Ungestalt bekommen, und dann erzählt ja, wie wir anführten, Długosz ausdrücklich, dass er ein paraliticus' war. Diesem sechzigjährigen, paralytischen Bischöfchen konnte wohl Ciołek ohne Bedenken sich erbieten, der Curator seines literarischen Nachlasses sein zu wollen. Und überdies war Johann von Opatowiec sein politischer Freund; wenigstens in einer höchst wichtigen Principienfrage, in der Frage ob man (1432) zum Zweck des Rachekrieges wider den

3

1 So z. B. war er nicht auf dem grossen Reichstag im Januar 1433, wo die Reichsconstitution von Wladysław Jagiełło gegeben wurde. Voll. Legg. I, 89 ff.

2 Lites et res gestae II, 313, wo er im Jahre 1422 sein Alter auf 46 Jahre ,vel circa angibt. Ich bezweifele diese Altersangaben nicht, weil sie in Bezug auf Zbygniew Oleśnicki, wo die Möglichkeit einer Controle vorliegt, gut stimmen.

3 Liber beneficiorum, III., 453.

Orden und Swidrigiello sich mit den ketzerischen Husiten verbinden dürfte, standen diese beiden Bischöfe im Verein mit dem Primas zusammen auf der liberaleren Seite gegenüber der strengen Unbeugsamkeit Zbygniew Oleśnicki's. Auch sonst muss ja der vieljährige gemeinsame Aufenthalt der beiden Männer am Hofe des Königs Władysław und die gemeinsame Thätigkeit in den Staatsgeschäften eine Fülle von Berührungen und Beziehungen zwischen ihnen erzeugt haben. 2

Wenn nun der oben stehende Brief von Stanisław Ciołek geschrieben ist, und sein Inhalt seine Anschauungen ausdrückt, so haben wir hier in unserer Sammlung das erhaltene Ergebniss seiner,non praecipua solum sed et fervens cura, ut ea quae in patria (suis) acciderunt temporibus posteris et successoribus relinquantur memoranda', und es ist nur zu bedauern, dass wir nicht auch die ,fideli reminiscencia notata et congesta' seiner politischen Erlebnisse haben. Man wird darnach keinesweges mehr glauben wollen, dass die Eintragung des urkundlichen Materials in unsere Sammlung zunächst für formelle und notarielle Zwecke erfolgt sei, und dass das Interesse an dem Inhalt der Documente nur ,neben dem Interesse an der Form vorgewaltet habe. Vielmehr bin ich der Meinung, dass Stanisław Ciolek, welcher, als er die Sammlung anlegte, oder anlegen liess (nach 1433), längst die Kanzlei mit ihren Formen und Formeln hinter sich hatte, ganz gewiss nicht daran dachte, zum Vortheil eines Notars oder Vicekanzlers ein Formulare aufzuschreiben, wie man sich auszudrücken hat, wenn man einem Könige aus einem revolutionirten Staat eine Krone anbietet, oder wenn ein König eine Nation bei der Heiligkeit seiner nationalen Sympathien beschwört, sich von der Einheit der Kirche nicht zu trennen, 3 oder dgl. m. 3 Alle diese Documente im ersten und zweiten Theil sind zu individueller Natur, haben zu sehr auf ganz individuelle Momente des äussern und innern politischen Lebens, oder auf hervorragende Persönlichkeiten Bezug, als dass das Formel- und Kanzlei-Interesse bei ihrer Auswahl einen Einfluss gehabt haben könnte. Bei

1 Długosz Hist. Pol. XI, 695.

2 Das letzte Mal, wofür ich ihr Beisammensein constatiren kann, ist der 1. Jannar 1436, beim Abschluss des ewigen Friedens von Brześć, unter dessen Tractat sie beide unterzeichnet sind. Voll. Legg. I. 127.

3 Vgl. unten Nr. LII., LVII. u. a.

den wenigen Stücken, wo dies ganz offen hervorzutreten scheint, fehlen uns nur bei dem blos andeutenden Character der erläuternden Angaben von Personen, Ort, Zeit und Anlässen die Mittel zur vollen Würdigung derselben in ihrer historischen Bedeutung.

Indem wir nun aber auf diese Art unserer Sammlung einen höhern und ungewöhnlichen Werth vindiciren, und Ursprung und Zweck derselben aus der praktisch-amtlichen in die literarische historiographische Sphäre verlegen, tritt für uns die Nothwendigkeit heran, die Persönlichkeit des Autors mehr in's Auge zu fassen, den in der Einleitung zum ersten Theil gegebenen Abriss seines Lebens durch die mittlerweile bekannt gewordenen Quellen theils zu berichtigen, theils zu ergänzen, sowie die Beziehung desselben auch zum zweiten Theil der Sammlung zu erhärten. Die Untersuchung über einige dieser Punkte ist inzwischen aus Anlass meiner Ausgabe des ersten Theils des Liber cancellariae von Liske in Lemberg geführt worden,1 aber freilich in einer Art, welche die allerentschiedenste Zurückweisung erfordert. Ohne die Handschrift gesehen zu haben, und ohne die zur Sache gehörigen Quellen zu kennen hat er sich in ein Netz von Vermuthungen begeben, wo allerdings jede beliebige Behauptung äusserst wohlfeil ist.

Zur Charakteristik dieser Gattung von Kritik wil ich einen Punkt herausholen, der auch für uns darum ein besonderes Interesse hat, weil er den Wendepunkt in dem Leben Stanisław Ciolek's anbetrifft, in welchem er aus der Verbannung vom Hofe zum Amt eines Vicekanzlers des polnischen Reiches emporstieg.

Zur Zeit der Herausgabe des ersten Theils des Liber cancellariae war ich natürlich nicht im Stande das von Zeissberg beschriebene und in Auszügen mitgetheilte,Aelteste MatrikelBuch der Universität Krakau' (Innsbruck 1872) zu benutzen, denn mein Buch erschien schon 1871. Aber hätte ich es auch besessen, ich wäre doch nicht im Stande gewesen, das aus demselben zu lernen, was Liske 2 in seiner Kritik daraus gezogen hat. Liske betont nachdrücklich, dass ich Folgendes

1 Im Przewodnik naukowy i literacki, Rok I, Tom II, Zesz. 2. Sierpien 1873. Dann in Sybel's Histor. Zeitschrift. 1874. III, 230.

2 Und Kantecki, Elżbieta trzecia żona Jagiełły in demselben und folgenden Heft des Przewodnik; auch separat erschienen.

Archiv. Bd. LII. I. Hälfte.

2

,nicht gewusst habe. Als die Königin Elisabeth am ,12. Mai 1420 gestorben war, und Ciołek jenes schmäh,liche Pasquill veröffentlicht hatte, in welchem er sie als ,Schwein dargestellt, entfernte ihn der entrüstete König ,vom Hofe. Er kehrte, wie wir gesehen haben, erst im ,Jahre 1423 zurück. Wo er die Zeit seiner Verbannung ,zubrachte, darauf wusste man bisher keine Antwort zu geben. Jetzt aber wissen wir, dass der vom Hof Ver,bannte sich nach Krakau begab, in die Universität ein,trat, wo er unter dem Rectorat Jacob Zaborowski's im ,Winterhalbjahre (also nach dem 16. October 1420) ,unter die Studenten der Universität in das grosse Matrikel,buch eingeschrieben wurde, und man schrieb ihn mit ,grosser Ostentation, mit grösserer und sorgfäl,tigerer Schrift als irgend einen Andern ein. (S. Zeiss,berg, Ae. Matr., S. 42). Ich glaube, dass diese That,sache nicht ganz so unbedeutend ist, als sie vielleicht ,scheint. Denn könnte man nicht aus dieser ehrenvollen ,Aufnahme des Verfassers des Pasquills gegen die Königin ,auf die Stimmung der Universität in dieser Sache schliessen? Die Universität zählte in jener Zeit in ihren Reihen ,mehr als Einen solchen Wojewoden-Sohn wie Stanisław, ,mehr als Einen solchen Kirchenwürdenträger wie er, und Niemanden schrieb man mit solcher Ostentation und ,Sorgfalt ein als ihn. Ich glaube diese Ostentation be,zog sich mehr auf den Verfasser des Pasquills gegen die ,Königin, als auf den Wojewoden Sohn und den Propst ,von Sandomir. Ich schliesse das noch aus einem andern ,Umstand. Es ist bekannt, dass Elisabeth eine von den ,grossen Wohlthäterinnen der Krakauer Universität war, ,gleichwohl schrieb man sie in das Verzeichniss der ,Wohlthäter der Universitat, für welche man beten sollte, ‚verächtlich ein,pro quadam Elisabeth' (auf sie nämlich ,beziehe ich die Aufzeichnung auf S. 2 des Matrikel,buches). Aber nicht genug damit, man strich sie sogar ,später aus diesem Verzeichniss (S. Matrikelbuch S. 3).

1 Was nun allerdings falsch ist.

2,Grösserer ist ein Zusatz von Liske. Weder sagt das Zeissberg, noch ist es richtig; die Buchstaben sind eher kleiner als in den umgebenden Namen.

,Diese beiden Thatsachen der ostentiösen Inscription ,Ciolek's und der verächtlichen Eintragung Elisabeths ,unter die Wohlthäter und die spätere Ausstreichung haben ,mich auf die Vermuthungen gebracht, die ich oben ausgesprochen habe.'

Weiter führt Liske aus,,man solle sich nicht daran ,stossen, dass Ciołek schon 38 Jahre alt war; dergleichen ,sei im Mittelalter nicht ungewöhnlich gewesen.

Also der Kern dieser glücklichen Entdeckung ist die Universität hat eine Demonstration zu Gunsten Ciolek's mittels grosser Inscriptionsbuchstaben und wider Elisabeth durch Weglassung ihrer Titel und Durchstreichung ihres Namens gemacht. Allerdings nicht schön von der Universität,einer ihrer grossen Wohlthäterinnen',1 einen Stein in's frische Grab nachzuwerfen, aber vielleicht gelingt es doch sie von diesem Vorwurfe zu reinigen und sie von der anachronistischen Demonstrationssucht freizusprechen.

Man muss nämlich nicht glauben, dass das verächtliche' ,pro quadam Elizabeth benefactore huius universitatis', welches ,sogar durchgestrichen ist, unter einer officiellen Rubrik im Matrikelbuch steht, sondern es findet sich,auf den ursprünglich leer gelassenen ersten Seiten',unter verschiedenen nachträglichen Aufzeichnungen aus dem 15. Jahrhundert.2 Zufällig steht unter diesen Notizen auch: pro domino nostro rege fundatore et conservatore universitatis ac domina regina, ut deus eorum vitam prolonget pro nostra et eorum salute, aber da Zeissberg nicht angegeben hat, ob die Notizen alle von einer Hand geschrieben sind, und sie jedenfalls zu verschiedenen Zeiten eingetragen sein müssen, denn am Schluss werden der Tod des Königs (beiläufig mit falscher Datumsbezeichnung) und die Krönung seines Nachfolgers aufgeführt, so entgehen uns die sichern Anhaltspunkte für die Bestimmung der Zeit

1,Promotrix studii Cracoviensis' wird sie in der Urkunde vom 19. August 1417 im Cod. diplom. universitatis Cracoviensis p. 120, Nr. LXIII genannt. Und in der ungewöhnlichsten Weise übernimmt sie selbst, die Königin, zweimal, wo es sich um Sachen der Universität handelt, die sogenannte ,Relation. Sowohl in der eben genannten Urkunde, als in der folgenden (das., S. 122, Nr. LXIV) heisst es: Ad relacionem serenissimae principis dominae Elizabeth dei gracia reginae Poloniae.

2 Zeissberg a. a. O.

« ZurückWeiter »