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te, erregte in Konstantinopel eine große Verwirrung. Alle Minister und höheren Beamte der Pforte versammelten sich eiligst im Saale des Divans. In ihrer Be= stürzung sahen sie kein anderes Mittel zur Rettung der Hauptstadt und des großherrlichen Hofes, als schleunige Fügung in die Forderungen des brittischen Gesandten. Ihr engherziger Entschluß, vereinigt mit dem Jammers geschrei der Eunuchen, theilte sich bald auch dem Sultan Selim III. mit. Denn dieser Herrscher, der nie aus seinem Seraile kam, und den Donner des GeschüBes bisher nur bei feierlichen Anlässen vernommen hatte, konnte sich der Furcht nicht erwehren, von der seine ganze Umgebung ergriffen worden war.

Der unverzügliche Bruch mit Frankreich und die Entfernung Sebastianis waren, nach dem Verlangen Arbuthnots, die ersten Bedingungen eines neuen Bündnisses mit England. Selim fandte daher einen seiner Lieblinge, Ismail-Bey, zu dem französischen Ges fandten, um ihn durch Offenbarung der Absicht des Divans zur Abreise zu bewegen. Wohl mußte sich der General Sebastiani durch den anmaßenden Ton IsmailBens beleidigt fühlen; indem sich dieser in bittere Klas gen über die bisher von der Pforte beobachtete unkluge Politik einließ, welche nun die Hauptstadt und das osmanische Reich an den Rand des Verderbens gebracht hätte. Doch erwiederte er gelaffen und mit Würde: „daß die Ankunft der brittischen Flotte „ihn nicht schrecken könne; daß er unter „dem Schuße der Pforte sich sicher zähle, „und Konstantinopel nicht verlasse, fo lange er nicht durch einen unmittelba=

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ren Befehl des Sultans dazu angewies „sen werde.“ —

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Die Feigheit der großherrlichen Beamten ging aber nicht auch auf die Bewohner der Hauptstadt über. Nie offenbarte sich der Karakter des Muselmannes in gröBerem Glanze. Anstatt, wie die Weichlinge des Serails, vor der Ankunft einer starken Eskadre zu zittern, wels che die Hindernisse des Dardanellen-Durchganges überwunden hatte, erfüllten sie die Straßen Konstantinopels mit dem Geschrei der Wuth und des Haffes gegen die Engländer, die nach ihren Worten treulos, ohne Grund, die alten Freunde überfielen, die türki-. sche Eskadre vernichteten, und sich zu dem Frevel bereiteten, dem Sultan in seinem Serail Gesetze vorzufchreiben. Die Artilleristen beeilten sich, die Batterien herzustellen; die Janitscharen griffen zu den Waffen; Kinder und Greise versammelten sich haufenweise, und boten ihre Dienste bei den Befestigungsarbeiten an; Einwohner, durch deren Häuser die Wirkung der Geschüße gehemmt werden konnte, rissen sie voll patriotischer Hingebung ungefäumt nieder; mit Einem Worte: Alle waren entschlossen, lieber unterzugehen, als dem Feinde nachzugeben.

Diese allgemeine Lebhaftigkeit veränderte den Be= schluß des Divans. Un die Stelle der Furcht trat nun der angeborne Groll gegen den Fremdling. Wenige Stunden später, als dem Sultan von seinen Ministern unverzügliche Unterwerfung vorgeschlagen worden war, baten ihn diese, der allgemeinen Begeisterung zu ge= währen, und die Hauptstadt ungesäumt in Vertheidigungsstand zu seßen. Selim stimmte bereitwillig diesem Antrage bei. Er befahl, daß alle angefangenen Verschan

zungen zu beendigen und noch in derselben Nacht auszurüsten wären; die zum Aufbau neuer Batterien nö thigen Mäterialien sollten unverzüglich zur Verfügung der Feld-Ingénieure gestellt werden, und alle Müselmänner wurden zum Waffendienste aufgeboten, so wie den getreuen Rajas das Zutragen der Erde und der Faschinen, die Bereitung der Brandwerkzeuge und die Zufuhr der Geschüße aufgetragen. Endlich befahl der Großherr, daß die Minister die unmittelbare Aufsicht über die Arbeiten führen sollten, und deren Fortgang zu verantworten hätten. Sogar die Pforten des Harems wurden geöffnet, und die Weiber des Sultans in das alte Serail geschafft, als man die Terrassen des Serails, längs dem Meeresufer, zur Anlegung von wirkfamen Batterien geeignet fand.

Der General Sebastiani war über diese Wendung der osmanischen Politik höchst erfreut, und eilte, von der Gelegenheit den größtmöglichsten Vortheil zu zie ben. Er erbat sich, und erhielt eine Audienz bei dem Sultan, der ihn mit besonderer Auszeichnung empfing, das Betragen Ismail-Beys mißbilligte, und unbedingtes Vertrauen gegen Frankreich aussprach. — Sebastiani widmete nun seine ganze Sorgfalt der Vollendung und Erneuerung der Batterien, bei denen er, mit Einvers nehmen der türkischen Beamten, alle seine Offiziere, so auch über 200 Franzosen, welche ihre Dienste freis willig anboten, verwendete. Der spanische Gesandte, Marquis Almenara, zeigte nicht minderen Eifer im Interesse Sebastianis und der Pforte. Er bildete aus den in Konstantinopel anwesenden Spaniern eine Kompagnie Artillerie, vertheilte sie in den Verschanzungen, und war, umgeben von seinen Sekretären, bei

als tapferen Sir Sidney Smith, der ihm zur Seite war, unbeachtet ließ. Endlich erfolgte eine asiatisch ftolze Antwort des Divans, mit der Erklärung, „d a ß „die Türken zu stolz und zu mächtig wären, „als daß sie in die ihnen vorgetragenen „Bedingnisse willigen könnten." Sogleich

ruderte auch ein Boot mit 60 der kühnsten Türken nach der Insel Proti, welche sich dort eines festen griechischen Klosters bemächtigten. Als Duckworth seine Soldaten landen ließ, sie daraus zu vertreiben, wurden die Britten genöthiget, mit bedeutendem Verluste, ohne Erfolg sich zurückzuziehen.

Die Aufmerksamkeit der osmanischen Minister er streckte sich, neben den zweckmässigsten Vertheidigungsanstalten Konstantinopels, in gleichem Maffe auch auf die Dardanellen. Diese wirksamer ju machen, ward Ismail-Bassa mit mehreren Ingenieurs und 200 Kanonen dahin beordert; und bald schufen Tausende von Arbeitern jene Batterien, deren Aufbau von dem Kapudan Bassa aus Verblendung verabsäumt wors

den war.

Duckworth vernahm nicht ohne Unruhe diese gefahrdrohenden Anstalten gegen seinen Rückzug; nachdem er keine Hoffnung mehr hegen durfte, den Sinn des Großherrn zu beugen. Zur Mehrung seines Mißgeschickes bannte ihn auch ein fortwährend entgegenge. setter Wind an seiner Stelle fest, während jede Stunde seinen Feinden unberechenbaren Gewinn bot.

Am 18. Februar änderte sich endlich der Wind, und Duckworth lichtete zur Heimkehr die Anker. Die ganze Bevölkerung Konstantinopels, noch immer einen Angriff erwartend, strömte, nicht ohne Verwirrung,

an die Meeresufer, und beruhigte sich erst dann, als die englischen Schiffe ganz die Richtung gegen den Hel= lespont gewannen, und endlich dem Auge der nicht minder geängstigten, als erbitterten Osmanen ents schwanden.

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Obgleich

Die Nacht vom 18. zum 19. Februar, brachte die englische Eskadre bei dem Vorgebirge Peskis und dem Städtchen Lam sa ki vor Anker zu. Um folgenden Tage um zehn Uhr segelte sie, in schlagfertiger Ordnung, von da weiter gegen den Archipelagus. Die Türken waren zu ihrem Empfange ganz vorbereitet. ein starker Wind hoch die brittischen Segel schwellte, und die Schiffe beinahe im Fluge an den Dardanellen vorüber trug, richteten die ungemein großen und vielen steinernen Kugeln der Osmanen doch einen sehr bedeutenden Schaden auf der Flotte an. Der Rückzug Duckworths sollte theuerer erkauft werden, als der siegreiche Durchbruch der Dardanellen. Der Royal-Geor ge würde, wenn eine der Kugeln nur um einen Schuh tiefer eingedrungen wäre, augenblicklich zu Grunde gegangen seyn. Auf dem Windsor Castle wurde der Mastbaum ganz abgeschoffen; das Schiff Pompee war in großer Gefahr, zu sinken. In die Kapitäns-Kajüte der Repulse traf eine Kugel so mächtig, daß sie 30 Mann theils tödtete, theils verwundete. Der Standard büßte mehr als 60 Mann ein. - Im Ganzen zählten die Engländer an diesem Tage 197 Todte und 412 Verwundete.

Bey der Insel Tenedos fand Duckworth die russische Flotte unter dem Admiral Senjawin. Dieser suchte die Britten zu bewegen, mit ihm vereint, den Zug nach Konstantinopel zu wiederholen. Doch es

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