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I.

Kurze Beschreibung und Geschichte der Dardanellenschlösser.

Nach russischen Quellen bearbeitet. *) Von Franz Henkel von Heldenhain, Fähnrich im . . 40. Linien-Infanterie-Regimente Herzog v. Würtemberg; dem f. f. Generalquartiermeisterstabe zugetheilt.

Mit einem Plane.

Schon Sultan Mohammed. II., der Eroberer Kon= stantinopels, erkannte die Begünstigung, welche der Hellespont der Sicherheit seiner neuen Hauptstadt

*) Nach dem russischen kriegswissenschaftlichen Journal Slamjanin, und insbesondere nach der Ausbeute aus nachbenannten, in Deutschland wenig bekannten Werken:

1. Zapiski morskago Ofizera w prodolschenie kampanii na Sredizemnom morje, pod nadtschalstwom Vice-Admirala D. N. Senjawiua etc. etc. (Denkwürdigkeiten eines Seeoffiziers über den Zug auf dem Mittelmeere unter Vice-Admiral Senjamin zc. ic.)

2. Offizialuija bumagi otposijaschtschijasja do plawanija Rosiiskoi wspomogatelnoi eskadri pod nadtschalstwom Admirala Uschakowa etc. etc. (Offizielle Urkunden, betreffend das russische Hilfsgeschwader uns ter dem Admiral Usich ako w 2c. 20.) Aus diesem offiziellen Werke ist der dem obigen Auffaße beigefügte Plan der Dardanellen schlösser.

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zu gewähren vermöchte. In einer Strecke von fünfundsechzig Wersten (bekanntlich machen sieben Werste eine deutsche Meile) beträgt die Breite dieses Kanales, der, Europa von Asien scheidend, das Meer von Marmora mit dem Archipelagus verbindet, im Durchschnitt nur fünf bis zehn Werste; während häufige Untiefen das für den Durchzug größerer Schiffe geeignete Fahrwaf, ser noch bedeutend beschränken, und der Abstand der Ufer, insbesondere bei dem Vorgebirge Peskis, bis auf zwei Werste sich enget. Mohammed II. wählte daher diese Gegend zum Aufbau der Schlösser Kelidil-Bahar, und Sultan Kalessy oder Hissar Sultani, welche er auch die alten Dardanellen benannte. Deren Stelle darf aber nicht mit jener der, bereits durch die Sage von Hero und Leander bekannten, Ruinen von Abydos und Sestos verwechselt werden; welche, noch bestehend, etwa eine Stunde weit nördlicher liegen, und irriger Weise von einigen Schriftstellern als die Grundpfeiler der alten Dardanellen bezeich net wurden.

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Kelidil-Bahar, das alte europäische Schloß, hat beinahe die Form eines Quadrates, von welchem die gegen das Meer liegende Seite in einem sehr stumpfen Winkel gebrochen ist. Ein Thurm an dem südlichen Ende dieser Seite, und zwei gegen das Meeresufer di vergirend angelegte Batterien, so wie an der entgegen= gesezten Landseite zwei andere kleinere Thürme, die nen zur Bestreichung der Flanken. In der Mitte der Verschanzung sind zwei abgeschlossene Reduits erbaut, von denen das äußere drei, etwas stark hervorspringende Bogenlinien, das innere ein kleines Viereck bildet. Beide diese Befestigungen überhöhen das zuerst genann=

te Hauptwerk.

Im Ganzen zählt das Fort hundert

und eine Schießscharte.

Sultan-Kalessy, das alte asiatische Schloß, stellt ein länglichtes Rechteck mit acht Thürmen vor. — Die dem Meere zugewendete Seite ist in einem flachen Bogen gebaut, und ästet auch zwei Batterien gegen das Ufer, zur Bestreichung der Flanken, aus. Ein Theil der Landseite ist mit einem trockenen und nicht tiefen Graben umgeben. Im Inneren des Forts befindet sich ein abgesondertes Gebäude, nach Art eines Kavaliers, und hundert und neun Schießscharten sind zur Aufnahme von Geschüßen vorbereitet.

Im siebzehnten Jahrhunderte, als die Venezianer siegreich ihre Flaggen im Archipelagus entfalteten, sah sich Mohammed IV. bewogen, die Vertheidigungsfähigkeit des Hellesponts durch noch zwei andere Schlöf= ser, an der Vereinigung dieses Kanals mit dem Archipelagus, zu erhöhen. Er benannte das europäische Sedil Bahar, das asiatische Kum-Kalessy, und Beide die neuen Dardanellen.

Die Figur Sedil-Bahars ist ein unregelmä. Eiges Sechseck, mit sieben Thürmen, dann einem viereckigen thurmähnlichen, und einem andern ravelinartie gen Vorsprunge, endlich mit zwei divergend gegen das Meeresufer sich ziehenden, durch einen Graben verbunde nen Batterien versehen. Im Inneren ist ein schmales Reduit angebracht. Das Schloß liegt ziemlich hoch und zählt hundert und sechsunddreißig Schießscharten für Kanonen. Östlich davon befindet sich die alte Feste Eski Hasarlik.

Kum Kaleffy, ein Rechteck bildend, erhebt sich auf einem flachen, offenen Boden. Die zehn

Vorsprünge dieses Schlosses sind bastionsförmig, und die Zahl der angebrachten Schießscharten beläuft sich auf hundert und zweiundfünfzig.

Alle diese Befestigungen haben sich bis auf den heutigen Tag in der ursprünglichen Form erhalten. Sie wurden von Stein aufgeführt, und sowohl gegen die Land- als See Seite mit Kanonen schweren Kalibers (doch keineswegs mit der vollen Zahl) beseßt, von de nen Viele massive Kugeln, und auch Granaten, von achtundzwanzig Zollen (?) im Durchmesser, schossen. Die Wirksamkeit dieser Verheerungsmittel ward jedoch mächtig durch den Umstand gelähmt, daß ein großer Theil der Geschüße entweder auf bloßer Erde, oder auf ein fächen Balken rühte, andere sogar in einer starken Mauer eingekittet waren, und daher nur gerade in dem Augenblicke abgefeuert werden konnten, wenn das feindliche Schiff der Mündung des Rohres selbst gegen= über kam; weßhalb die meisten Schüsse ohne allen Erfolg fielen.

Die Sorglosigkeit der Osmanen hatte im Verlau fe des folgenden, Konstantinopel minder bedrohenden, Jahrhundertes die Dardanellenschlösser beinahe dem gänzlichen Verfalle überliefert, als im Jahre 1770 die russische Flotte unter Admiral Spiritoff aus dem baltischen in das mittelländische Meer gelangte, und, später unter die Befehle des Grafen Orloff gestellt, den Rückzug der türkischen Eskadre von Tschesme in den Dardanellenkanal erzielte. Sir John Elphing stone führte die Vorhut der ruffischen Flotte, aus 3 Linienschiffen und 4 Fregatten bestehend. In der Verfolgung zweier türkischen Linienschiffe begriffen, war er der Erste. welcher in feindlicher

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Absicht in den Hellefpont einlief. Das ohnmächtige Feuerder neuen Schlösser verachtend, welche zu weit auseinanderstehen (zehn Werste), um überhaupt sehr wirksam seyn zu können, segelte er, ohne einen ihrer Schüsse zu erwiedern, in dem Kanale vorwärts, bis er wahrnahm, daß Graf Orloff, aus Gründen, wel che nach dem damaligen Sachverhältnisse nicht leicht er klärbar sind, mit dem Rest der Flotte ihm nicht gefolgt war; wodurch sich dann auch dieser kühne Seemann ge nöthigt sah, wieder gegen Tsches me zurückzukehren.

Dieses Ereignis mußte die Aufmerksamkeit der Pforte auf den Zustand der Dardanellen lenken. Der französische Ingenieur Baron Tott erhielt, nach seis nem Erbieten, den Auftrag, denselben zu untersuchen und zu verbessern. Er rügte, als das nächste Mißverhältniß, die Konstrukzion und die Lage der Kanonen, und machte dem Bassa, der ihn bei dieser Untersuchung begleitete, den geringen Erfolg bemerkbar, welchen der Gebrauch dieser Kolosse haben könne; da man eine ges raume Zeit benöthige, um sie zu laden, und daher füglich aus jedem Stücke nicht mehr als einen Schuß gegen die vorübersegelnde Flotte erwarten dürfe. — Ich stimme dem bei;" erwiederte da der Bassa, aber mit Einer solchen Salve kann man „die Macht der feindlichen Flotte zer ft öz ,,ren." -Diese Ansicht war die allgemeine; sie herrsch te im Divan, wie bei dem gemeinen Matrosen; jeder Osmane hielt sich hinter den Dardanellen für geborgen; ja er achtete es insbesondere sogar für einen Frevel an der Würde Mohammeds II., die von diesem Eroberer so vieler Reiche erbauten alten Dardanellen für gebrechlich zu halten. -Tott konnte daher auch nur die

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