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v. Humboldt überging, die es im Jahre 1822 durch den berühmten Architekten Schinkel im Stil einer römischen Villa umbauen ließen und mit einer ansehnlichen Sculpturensammlung ausstatteten, in der besonders die Marmorstatue der Hoffnung von Thorwaldsen Heute ist Beachtung verdient.

Schloß Tegel Eigenthum der den Humboldts verwandten Familie v. Heinz. In dem schönen Park dieses Herrensizes sind die beiden Brüder Wilhelm und Alexander v. Humboldt bestattet. Eine vielhundertjährige Eiche von gigantischem Wuchs breitet hier ihre Aeste, und von den Anhöhen des Parks schweift der Blick südwärts über den blinkenden Wasserspiegel des Sees und die Wipfel der Jungfernheide hinweg nach Spandau, Charlottenburg und Berlin. Die Jungfernheide durchquert der von Berlin herkommende Spandauer Schiffahrtskanal, der im Westen der gastlichen Ortschaft Saatwinkel den See erreicht.

Der Tegeler See gewährt zwar in frostreichen Wintern eine spiegelglatte Eisbahn, die die berliner Jugend in großen Scharen anlockt; unvergleichlich regeren Besuch empfängt er aber während der Sommermonate. An schönen Sonntagen strömen alsdann mit Vorortzügen der Nordbahn, mit der elektrischen Straßenbahn, auf überfüllten Flußzdampfern von Spandau her oder zu Fuß durch

die Jungfernheide ansehnliche Menschenmassen nach Tegel, um sich von hier aus in die benachbarten Waldungen und längs der Seeufer zu zerstreuen, wenn sie es nicht vorziehen, dem Wassersport zu huldigen.

An solchen Sonntagen gewinnt namentlich des Abends. der Verkehr auf dem Tegeler See eine fast beängstigende Lebhaftigkeit. Gemiethete Ruderboote mit mehr oder minder kundigen Insassen durchqueren in buntem Gewinimel die Wasserfläche. Hier und dort kreuzt eine schlanke Segeljacht. Weiter draußen tummelt sich mancher Schwimmer in den Wellen, der seine Kleidung dem treibenden Kahn

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weltentlegener Bauerndörfer. Was sie aber nicht sehen und ahnen, sind die düsteren Schrecknisse dieser großartigen Berglandschaften; Schrecknisse, von denen der in den Mauern seiner Städte geborgene Culturmensch sich oft kein Bild zu schaffen weiß. In der Einsamkeit der Alpenhochthäler vermag manches Naturgebilde, das der Städter nur als schön, anmuthig und harmlos kennt, eine todbringende Kraft zu entfalten. Schnee und Sturm, Regengüsse und Wildwasser, die wir in den Städten meist bloß als Belästigungen empfinden, können in den Felswüsten der Hochthäler ganze Ortschaften verheeren und Menschenleben in Abgründe wirbeln. Und während in ganz Mitteleuropa die Raubthierwelt durch die Cultur mehr und mehr ausgerottet wird, haust in der einsamen Dede des Hochgebirges heute noch der Räuber der Lüfte, der gewaltige Steinadler. Wie der Rest einer längstvergangenen wilderen Schöpfung schwebt dieser grimmige Raubvogel noch über die Alpenthäler dahin. Nur seine erstaunliche Flugkraft und die wunderbare Schärfe seines Auges sowie die Gewohnheit, sein Nest an die unzugänglichsten Felswände hinzubauen, hat diesen stolzen Vogel vor völliger Ausrottung bewahrt. Wir kennen ihn wol aus 300logischen Gärten, wo er in versteinerter Ruhe als Gefangener seine Jahre verbringt; hier aber gibt nur die furchtbare hoch-. müthige Wildheit, die aus seinem goldfarbenen Auge strahlt, eine Ahnung davon, was dieses Thier in der Freiheit vermag, wenn es seinen erschreckenden schmetternden Kampfruf ausstößt, seine 2 Mtr. Elafternden Fittiche rauschen läßt und aus schwindelnder Höhe auf sein Opfer niederstößt. Man erzählt vom Steinadler, daß er niemals Wasser, sondern nur Blut trinke; und in jedem Hochthal von Tirol und der Schweiz weiß man aus näherer oder fernerer Zeit zu berichten, daß er in seinen schrecklichen Fängen nicht bloß junge Gemsen, Biegen und Lämmer, sondern auch kleine Kinder davongetragen habe zum Futter für seine Jungen.

Eine Straße in Peking.

Ein solcher Vorgang ist es, den das Bild Mathias Schmid's zur erschütternden Darstellung bringt. Eine arme Wildheuerin hat während der beschwerlichen Arbeit auf hoher Bergmatte ihr Kindchen zum Schlafe hingelegt. Während sie die Sense schwang, um das duftige Alpengras für ihre einzige Kuh zu mähen, sah sie plötzlich einen Schatten über die besonnte Felswand gleiten und hörte einen mörderischen Schrei, so furchtbar und dräuend, wie sie ihn nie zuvor in ihrem Leben vernommen hatte. eilte sie in verzweifelten Sätzen nach dem Winkel an der Felswand, wo sie ihr schlafendes Kind wußte; aber ehe sie es erreichte, sah sie die gewaltigen Schwingen des. Räubers schon über sich und in seinen erbarmungslosen Klauen das Kind. Nun lehnt sie an der Felswand und hebt in herzbrechendem Jammer die Hände, als wollte sie mit

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Da

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ihren schwachen Menschenfingern die Luft herabziehen sammt dem Räuber und dem Kind. Sie wird es nie wiedersehen; mehr und mehr entschwindet es ihren Augen, und sein klägliches Jammern verhallt in der klaren, durchsichtigen Ferne des Hochgebirges.

Der Künstler, der uns dieses furze, aber ergreifende Trauerspiel vorführt, Prof. Mathias Schmid, ist heute neben F. v. Defregger der bekannteste tiroler Maler. Wie Defregger, hat auch er als Gegenstand fast aller seiner Bilder sich das tiroler Volksleben gewählt. Aber während sein Landsmann größtentheils das Innere des tiroler Bauernhauses mit seinem gemüthvollen Frieden und seinen Daseinsfreuden auf die Leinwand bannt, erging Mathias Schmid in sei nen berühmtesten Schöpfungen sich meist mit starker Realistik in den rauheren Schicksalen, mit denen das Bergvolk zu kämpfen hat. Seine Bilder lassen gern die wilde und harte Natur der Hochthäler hervortreten, den steinernen Boden, auf dem grausame Ereignisse erwachsen, und den die scharfe Luft des Hochlands umweht. Diese Verschiedenheit der beiden in München lebenden Künstler hat wol ihren Hauptgrund neben den Unterschieden persönlicher Anlage auch in den ungleichen Eindrücken, die jeder von ihnen aus seiner Bergheimat mitgebracht hat. Die Heimat Mathias Schmid's ist das Paznaunthal, eine weltentlegene Hochgebirgslandschaft, die mit ihren südlichen Seitenthälern zu den wilden und stark vergletscherten Felskämmen der Jamthaler Ferner ansteigt. In diesen von einer einfachen, aber kraftvollen Hirtenbevölkerung bewohnten Thälern hatte der Künstler reichlich Gelegenheit, eine ge waltige Natur und ein mit ihr innig verwachsenes Volksthum zu studiren. Das herbe, kühne und markige, von keinerlei Culturfäulniß angekränkelte Wesen dieses Völkchens spricht aus den beigegebenen Skizzenbuchblättern des Malers, die zugleich zeigen, wie Mathias Schmid selbst in die flüchtigsten Striche und Entwürfe eine überraschende Charakteristik zu legen versteht.

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Eine Straße in Peking.

Bilder aus Peking. Nach photographischen Aufnahmen.

M. H.

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