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Jahrhunderten, mit denen wir uns eben hier beschäftigen, vorzugsweise die erwähnten Pelze genannt, der Bernstein findet nirgends ausdrückliche Erwähnung. Adam von Bremen endlich berichtet, daß nicht etwa bloß die auswärtigen Handelsleute im Lande erwartet wurden, sondern daß auch wenigstens die Küstenbewohner sich des Handels wegen selbst in fremde Lande begaben, daß z. B. in dem großen schwedischen Hafen Bioka neben dänischen und slavischen auch preußische Schiffe lagen.

Dem Familienleben fehlte bei den Preußen jede edlere Auffassung, vor allem, weil nach vielfachen Zeugnissen die Frau gekauft wurde und demgemäß nicht als die gleichberechtigte Herrin des Hauses galt, sondern, wie Dusburg ausdrücklich erzählt, als dienende Magd, die nicht mit am Tische essen durfte und an jedem Tage Hansgenossen und Gästen die Füße waschen mußte. Auch war Vielweiberei gestattet, ja es konnte vor kommen, daß Vater und Sohn sich aus dem gemeinsamen Vermögen eine gemeinsame Frau kauften. Papst Honorius III. wollte, wie er in einer Bulle von 1218 schreibt, gehört haben, daß bei den heidnischen Preußen die entsegliche Sitte herrsche von den Töchtern immer nur eine zur Fortpflanzung der Nachkommenschaft am Leben zu lassen, die übrigen zu tödten, und die Preußen selbst gestehen 1249 zu, daß ein Vater die Macht hätte sich nicht bloß der Töchter, sondern auch der Söhne, natürlich der überflüßig erscheinenden, durch Tödtung oder Verstoßung zu entledigen. Nach einem Morde war keine Sühne möglich, wenn nicht zuvor der Mörder selbst oder einer seiner Verwandten dem Gebot der Blutrache zum Opfer gefallen war.

Von irgendwelcher geistigen Bildung kann bei den Preußen nach allem, was wir gehört haben, schon an und für sich nichts mehr vermukhet werden, ja daß sie noch nicht einmal eine Schrift hatten, haben wir bereits erfahren, die Kunst seine eigenen Gedanken einem Abwesenden durch die Schrift mitzutheilen erregte, als sie sie bei den Deutschen kennen. lernten, ihre ganz besondere Verwunderung. Die Inschrift auf der angeblichen Hauptfahne der alten Preußen zu Romowe, deren Zeichen Grunau` anzugeben weiß, ist endlich, nachdem sich so viele Gelehrte an ihrer Erklärung abgemüht hatten, von Voigt als eine jener unverschämten Erfindungen des Mönches zurückgewiesen. Auch von einer Zeitrechnung bemerkte man bei ihnen nichts, wenigstens doch keine künstliche Eintheilung der Zeit in größere Abtheilungen als die Tage; nur durch die Zahl der zwischenfallenden Tage konnten sie z. B. einen Termin vorausbestimmen und den Ablauf der festgesezten Frist nur dadurch für sich erkenntlich machen, daß sie jeden Tag eine Kerbe in ein Holz schnitten oder in den Gürtel oder einen Strick einen Knoten machten.

Wenn wir endlich über den Gesammtcharakter ber Preußen von verschiedenen Seiten verschieden urteilen hören, so darf dieses hier so wenig als in anderen ähnlichen Fällen Wunder nehmen. Nichts war natürlicher, als daß sie den Polen, mit denen sie an der Grenze täglich im Kampfe lagen, als räuberisch und beutelustig, rachsüchtig, grausam und blutgierig erschienen, nichts natürlicher, als daß der Ordenschronist in seiner Erzählung des Krieges kein schmeichelhafteres Bild von ihnen entwirft. Und sie erscheinen nicht bloß so, sondern vollends Dusburg weiß gelegentlich eine Menge von durchaus glaubwürdigen Thaten zu erzählen, die sein Urteil mehr als zur Genüge bestätigen. Aber so waren sie geworden, wo und wann der Krieg auf sie eingewirkt hatte, zumal dem Deutschen Orden gegenüber ein Krieg, der dem Glauben und der Unabhängigkeit galt, in welchem sie sich, wie gewiß auch früher den Polen gegenüber, als. die Angegriffenen vorkamen, und hier ohne Frage mit Recht; auch vertheidigten sie sich doch, wie fast jede Seite der Ueberlieferung darthut, genau nur mit denselben Mitteln, mit derselben Art der Kriegführung, mit denen man sie angriff. Eine ganz entgegengesezte Schilderung von ihnen giebt Adam von Bremen, der vorzugsweise die handeltreibenden und feefahrenden Samen im Auge hat, und nicht bloß er, sondern auch sogar jenes die Sitten der Preußen beschreibende Kapitel bei Dusburg, das so wenig mit dem Geiste dieses Schriftstellers, wie er sich den Preußen gegenüber zumal in dem Haupttheile der Chronik zeigt, übereinstimmt, daß ich es unmöglich als sein Eigenthum anzuerkennen vermag. An beiden Stellen wird an den Preußen gleichmäßig die Einfachheit der Lebensweise, in Kleidung und Speisen, gerühmt. Sie trugen nur Wollenkleider und gaben die Pelze, die anderwärts überall für so kostbar galten, für diese hin. Weiche Lager fand man nicht bei ihnen. Feinere Speisen als das Fleisch ihrer Hausthiere und des Wildes und die Erzeugnisse ihres Ackerbaues kannten sie nicht. Als Getränk genossen die Armen Meth, die Reichen gegorene Stutenmilch, doch vielleicht oft nicht ungern in dem Maße, daß sie sich berauschten, die Sitte des unmäßigen Zutrinkens fannten und übten sie bereits; Bier zu brauen hat man in den ältesten Zeiten nicht verstanden, vielleicht erst von den Deutschen gelernt. Als eine ihrer schönsten Tugenden wird die unbeschränkte Gastfreundschaft, die bei ihnen allgemein galt, gepriesen. Dem fremden Gast kamen sie aufs Liebreichste und Freundlichste entgegen und brachten ihm an Speise und Trank, was sie nur irgend im Hause hatten, aber freilich galt auch erst dann die Forderung der guten Sitte für vollständig erfüllt, wenn fie alle, Gast und Wirth und Hausgenossen, durch das unaufhörliche Zutrinken gänzlich berauscht waren. Einzig aber standen sie unter allen Völkern

um die Ostsee da und gaben einen hohen Beweis der von Natur ihnen eigenen Milde dadurch, daß sie allein das Strandrecht nicht übten, welches sonst überall als das gute Recht aller Strandbewohner galt: wer auf dem Meere in Gefahr gerieth oder von Seeräubern verfolgt wurde, fand nach Adam von Bremen an der samländischen Küste sichere Zuflucht und bereitwillige Hülfe. Gar vieles Lobenswerthe, so lauten die Worte Adams, könnte von den Sitten der Preußen gesagt werden, wenn sie nur den christlichen Glauben hätten, dessen Prediger sie unmenschlich verfolgen.“ Die Zeit aber, da der neue Glaube mit Erfolg zu ihnen gebracht wurde, gehört nicht mehr in den Bereich meiner Darstellung.

Karl Lohmeyer.

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Jan Rudolf Thorbecke.

(Schluß.)

Es verstand sich von selbst, daß die hierarchische Parthei, obwol so oft die Todfeindin alles konstitutionellen Lebens, sofort bei der Hand war, um die durch die Verfassungsrevision veränderte Situation auszubeuten und von der Freiheit" ebenfalls zu profitiren. Am 7. März 1853 erflärte Pins IX. in einem Cardinalsconsistorium, daß die Durchführung der Hierarchie in Holland endlich zu Stande gekommen, so daß fünf Bischofssite mit einem Erzbisthum an der Spize errichtet werden sollten; der Allokution folgte bald ein apostolischer Brief, welcher die nähere Ausführung des mit der niederländischen Regierung abgeschlossenen Vertrages enthielt. Das Schönste an der Sache war, daß der Wortlaut des Concordates zuerst in auswärtigen Journalen bekannt gemacht war und von da aus den Weg auch nach Holland fand. Bis jetzt hatten nur zwei Bisthümer, in Amsterdam und Herzogenbusch, bestanden, welche allen Bedürfnissen genügt hatten, indem man noch keine Klage über mangelhafte Wahrnehmung des Hirtenamtes aus der Mitte der Heerde vernommen hatte. Jezt sollten auf einmal fünf Bischöfe kommen, und man hatte völlig Recht, keinen Gefallen zu finden an diesem exorbitanten Luxus für das 3 Millionen Seelen zählende Holland, von denen kaum ein Drittel der katholischen Kirche angehörte, während das ganz katholische Belgien mit mehr als 4 Millionen nur sechs Bischöfe hatte. Dazu kam noch der weitere, sehr ins Gewicht fallende Umstand, daß auch die neue Verfassung das Oberaufsichtsrecht des Königs über die Kirchengenossenschaften ausdrücklich beibehalten und der Minister auf das Bestimmteste die Aufrechterhaltung des Gesetzes vom 18. Germinal X. versprochen hatte, nach welchem religiöse Feierlichkeiten in den auch von Akatholiken bewohnten Plägen verboten sind, die Errichtung von Seminarien und andern kirchlichen Anstalten der Genehmigung der Regierung unterliegen muß und die Bischöfe wegen Amtsmißbrauches vor den Staatsrath gestellt werden können, und alle diese von der Vorsicht, dem Trieb der Selbsterhaltung und der Nothwehr gebotenen Beschränkungen ließ man fallen und legte

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der Curie das freiwillig zu Füßen, wofür sie in andern Ländern theils vergeblich, theils Jahrzehnte lang kämpfen mußte. Der Eid, den die Bischöfe dem „König und seinen Nachfolgern“ zu schwören hatten, enthielt auch nicht ein Wort vom Gehorsam gegen die Gesetze und wenn die Bischöfe später in einer Adresse an den König erklärten, daß sie keinen geistlichen Eid geschworen hätten, der in irgend welcher Weise mit dem den Staatsgesetzen schuldigen Gehorsam in Streit sei", so war man hinsichtlich der Definition, welche sich die neuen Oberhirten von dem „schuldigen Gehorsam" machten, nichts weniger als beruhigt, denn in Süddeutschland meuterte gerade damals ein Erzbischof ganz offen gegen die Staatsgesetze. Die perfide Haltung der belgischen Bischöfe, die, sonst die eifrigen Vertheidiger des göttlichen Rechtes der Fürsten, Wilhelm I. ebenfalls den Eid der Treue geschworen hatten und dann, als der Aufstand in Brüssel losbrach und französische Bajonnette sie vor etwaiger Strafe sicher stellten, mit Sack und Pack ins revolutionäre Lager übergiengen, war ebenfalls nicht dazu angethan, das Mißtrauen der Bevölkerung zu beschwichtigen. Der unfläthige Ton der klerikalen Presse, die in trunkenem Uebermuth Wilhelm den Schweiger und die andern Helden des Unabhängigkeitskampfes, Heuchler, ehrvergessene Schurken u.s. w. nannte, goß Del ins Feuer und der Ton der päpstlichen Allokution, die von Holland als einer neu eroberten Kirchenprovinz sprach und über die Ausbreitung des Katholizismus in den Niederlanden den Mund voll nahm, müßte vom heutigen Standpunkt der Dinge ein unverschämter und lächerlicher zugleich genannt werden, wenn nicht damals gerade in der Zeit der vollen Blüthe der Reaktion im übrigen Europa der Waizen für hierarchische Herrschergelüfte besonders geblüht hätte.

In Holland lagen die Verhältnisse zu jener Zeit, als die Hierarchie festen Fuß faßte, etwas anders, als in den übrigen Staaten, welche sich mit ihren Concordaten Rom auf Gnade und Ungnade überlieferten. Die Schule war von der Kirche vollständig getrennt; Wilhelm I. hatte am Prinzip der konfessionslosen Schule unerschütterlich fest gehalten und die Erlaubniß zur Errichtung konfessioneller Schulen fortwährend verweigert; erst unter Wilhelm II. wurde das Zugeständniß gemacht, daß die Schullokale täglich außer der für den Schulunterricht festgesetzten Zeit für die Geistlichen der verschiedenen Religionsgenossenschaften zur Ertheilung des Religionsunterrichts verfügbar sein sollten. Ferner hatte sich die obligatorische Civilehe im Volke fest eingelebt und die unerquicklichen Differenzen zwischen Staat und Kirche in Beziehung auf Eheschließungen waren also von vornherein abgeschnitten; der Staat, der die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche verfassungsmäßig feststellte, that also hier etwas ganz anderes, als z. B.

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