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II.

Geschichtliche Skizze der Kriegsereignisse in Tirol im Jahre 1809.

3 weiter Abschnitt.

(Fortießung.)

Wir sahen Chasteler in dem kurzen Zeitraum von fünf Lagen, vom 16. bis 21. Mai, vier verschiedene Ideen lebs haft auffassen, noch lebhafter verfolgen, und denselben eben so schnell wieder entsagen. Der Abzug aus Tirol war die fünfte, und leider die Lezte, welche er fest hielt, und auch ausführte. Zuerst wollte er sich auf dem Brenner behaupten, - gleich darauf sich an das Heer des Erzherzogs Johann anschließen, dann wieder bei Schabs und Brunecken sich sammeln, um daselbst die weitern Ereignisse im Inns und Drau-Thale abzus warten. Doch schon wenige Stunden später finden wir ihn auf dem Marsche zur Rettung Tirols nach Mühlbach und dem Brenner, und vierundzwanzig Stunden später auf dem Wege nach Lienz, mit den Anordnun .gen zum Abzuge aus dem Lande beschäftigt. Allerdings waren die Verhältnisse schwierig, unter welchen Chasteler handeln mußte. Von mehreren Seiten zugleich vom Feinde bedroht; oft durch falsche Nachrichten theils über die Vorgänge im Lande selbst, theils über den Gang der Kriegsereignisse bei den verwandten Heeren getäuscht; zum Theil zeitweiser Mangel an ein oder dem anderen

Kriegsbedürfnisse, und Unverläßlichkeit mancher mit den ößtreichischen Truppen verbundener Volkshaufen; dieß waren die Schwierigkeiten, welche in den strategischen Calcul seiner Operazionen störend eingriffen. Allein je größer diese Hindernisse, um so dringender stellte. sich die Nothwendigkeit dar, einen bestimmten Entschluß zu fassen, und diesen mit Nachdruck und Beharrlichkeit durchzuführen, um nicht durch ein schwankendes und zauderndes Benehnen das Vertrauen des Landvolks und der Truppen zur obersten Volks- und Heeresfüh= rung zu vermindern, oder wohl gar zu verlieren.

Die Ursachen, welche ein ferneres Bleiben Chas ftelers in Tirol nothwendig machten, ja gebieterisch for derten, so wie die großen Resultate, welche Leßteres unbezweifelt herbeigeführt haben würde, sind zu ein leuchtend, als daß man solche hier näher entwickeln sollte. Hinreichend waren aber auch noch die Mittel, welche in Tirol damals zu Gebote standen, wenn Cha= steler den Kampf in diesem Lande schnell zur Entfcheidung bringen wollte. Das östreichische Truppenkorps zählte damals, wie bekannt, 13,000 Mann unter den Waffen, der Tiroler Landsturm bereits in den Tagen des 23. und 24. Mais gegen 20,000 Mann. Nur selten Eamen in jener Epoche bei den Truppen Klagen über Mangel an Lebensmitteln vor, häufiger dagegen die Fälle, wo den Soldaten doppelte Razionen bewilliget wurden; ein Zeichen, daß es an Lebensmits teln noch nicht fehlte. An Schießbedarf war noch hinlänglich im Lande vorhanden, um den Feind aus dem Inn Thale zu vertreiben, -wie dieß später der 29. Mai überzeugend dargethan, und Rusca, der von Villach gegen Saxenburg vorrückte, im Draus, und, falls

er weiter vordringen sollte, im Puster - Thale aufzuhalten. *) Nur der Mangel an guter Bekleidung fing das

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*) Wir haben über diesen wichtigen Gegenstand, damaligen Stand der Munizion des Tiroler Korps betreffend, sorgfältige Nachforschungen angestellt, deren Ergebniß wir hier im folgenden mittheilen. Aus einem damaligen Schreiben Chastelers an Hofer geht hervor, daß nach dem Treffen von Wörgl noch 500,000 Stück Flintenpatronen sich im Reservepark bes fanden. Von diesen wurden auf dem Rückzuge nach dem Brenner, laut einer schriftlichen Meldung des bei diesem Park angestellten Artillerie-Offiziers, nur einige tausend Patronen an Tiroler Landesschüßen vertheilt. Der Oberstlieutenant Graf Leiningen schickte bei seinem Abzuge aus Trient, nachdem er seine Truppen mit Mu nizion reichlich versehen, 260,000 Flintenpatronen, 40 Pfund Scheibenpulver und 4 Centner Blei dem General Buol. Teimer hatte in Kempten 15 Centner Scheibenpulver und 1500 Centner Blei erbeutet, "aus welchen, mit Einschluß des von Leiningen an Buol übersendeten Scheibenpulvers (40 Pfund), 98,000 Patronen bereitet werden konnten. Rechnet man hierzu die bei den verschiedenen Truppenabtheilungen noch in Reserve gehaltenen Patronen, so kann man mit Gewißheit den bei dem Tiroler Korps damals noch vorhandenen Munizions Reservevorrath über eine Million an Flintens patronen annehmen; wobei zu bemerken, daß beinahe sämmtliche Mannschaft mit der vorgeschriebenen Anzahl Patronen, 60 Stück für den Mann,

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versehen war. Eine nicht unbedeutende Menge Pulver wurde, wie Hormayr versichert, aus der Schweiz bezogen. Überdieß befand sich noch ein bedeutendes Quan= tum an Munizion in den Händen der Tiroler Schüben und Landstürmer, dessen Einbringung, um solches vor Versplitterung zu bewahren, im Wege angemesse=

mals an, bei manchen Truppenabtheilungen etwas fühle bar zu werden. Als Noth und Entbehrungen aller Art das französische Heer in der Riviera von Genua im Jahre 1796 heimsuchten, rief Napoleon aus Savona seinen. ausgehungerten und abgerissenen Soldaten zu: „Jenseits dieser Berge (er meinte die See-Alpen zwischen Genua und dem Col di Tende) ist ein schönes reiches Land. Dort werdet ihr Nahrung, Kleidung, Alles, und mehr noch, als ihr braucht, finden; doch müßt ihr früher noch den Feind schlagen." Bald lohnten Sieg und Überfluß ihre tapfern Unstrengungen. Ein nachahmungswürdiges Beispiel für Chasteler! Von den Gebirgen Tirols hätte er seinen Soldaten das reiche Schwaben und Baiern weisen, und ihnen jene Worte des französischen Heerfüh rers zurufen sollen. Gewiß der entscheidende Schlag gegen den Feind wäre noch früher und besser gelungen, als es später am 29. Mai geschah, an welchem Tage die Tiroler beinahe allein fochten. Die Begeisterung, mit welcher die Tiroler schon öfters unter den Augen der Östreicher gekämpft, war nicht ohne Wirkung auf den gemeinen Soldaten der Leßteren geblieben, der es bisher nicht geglaubt, der Bauer könne eben so tapfer wie er seyn, und daher diesen an Muth zu übertreffen suchte. Die Passeyrer, Meraner, Algunder, Tiroler vom alten Stammschlosse, und der Landsturm aus dem

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ner Belohnungen leicht möglich gewesen wäre; - wie dieß Chasteler in einem Antwortschreiben an Hofer ganz richtig bemerkt, als ihn dieser um Aushilfe an Munizion ersuchte. Wir überlassen es nunmehr unsern Lesern, nach diesen Angaben zu beurtheilen, ob und in wie fern die von uns in der berührten Beziehung ausgesprochene Behauptung gegründet sey.

Eisak-Thale, 9—10,000 Mann, sämmtlich unter Hofer, auf deren Treue und Tapferkeit man in den Stunden der Gefahr wie auf einen Felsen bauen konnte, hät ten sich nun den Östreichern angeschlossen, so auch die Ober-Innthaler. Ein Abfall derselben, wie jener der Unter-Innthaler bei Wörgl, war bei der Tapferkeit und trefflichen Stimmung dieser Elite der Tiroler Landesvertheidiger, so wie ihrer tüchtigen Häupter, nicht mehr zu fürchten. Bis es zum entscheidenden Schlage kam, war Lefevre mit der Division Wredé nach Salzburg abgezogen (23.), und Deroi blieb mit nur 7000 Mann in Innsbruck zurück. Hätte dieser wohl den Anstrengungen einer gut geführten Masse von mehr als 20,000 Mann widerstehen können? Auf der Seite der Valtelin, und von Verona her, war nur wenig vom Feine de zu fürchten, und wäre es auch mittlerweile Rusca gelungen, von Villach nach dem Puster-Thale vorzus dringen, so wäre er blos dahin gezogen, um sich die Nachricht von Derois Vernichtung zu holen, und mit dieser nach Kärnten zurückzueilen. Was hinderte als= dann Chasteler, den Meister in Tirol und in den Nachbargegenden Baierns und Schwabens zu spielen? Dieß wären bei der damaligen Lage der Dinge in Tirol, zur Zeir als Chasteler unschlüßig hin, und hermarschirte, die bereits damals möglicherweise meist zu berechnenden Folgen eines ernsten Entschlusses gewesen, nach dem Brenner und Innsbruck vorzugehen. Die Folgen vom Gegentheile, das geschah, waren Ermattung der Truppen durch die fortwährenden Gewaltmärsche, die sie machen mußten, und oft die Unmöglichkeit, den erhaltenen Befehlen genau nachzukommen. So berichtete Buol vom 20. aus Mühlbach, in dem Augenblicke · als

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