Sinnsuche und Identitätsproblem in Christian Krachts Romanen "Faserland" und "1979" - Eine Analyse der Analogien und Differenzen zwischen den Romanen und ihren literarischen Vorlagen

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GRIN Verlag, 2007 - 104 Seiten
Magisterarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Deutsch - Literatur, Werke, Note: 1,3, Ludwig-Maximilians-Universität München (Germanistik), 65 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als Christian Kracht 1995 seinen Debütroman "Faserland" veröffentlichte, ging nach kürzester Zeit ein Aufschrei durch weite Teile der bundesrepublikanischen Feuilletons. Polemisierend bezeichnete die Literaturkritik den Roman "als reaktionäres Schnöseltum ohne Biß," als "Life-Style-Geschwätz" und "Pennäler-Prosa," sah in Christian Kracht eine "ausgekotze kleine Seele im Weltmeer der definitiven Orientierungslosigkeit" und ein "Sinnbild der Flachheit" und übersah dabei das Innovative an seinem Werk. Denn Christian Krachts "Faserland" ist wie sein Nachfolgeroman "1979" vor allem eine reflexive Auseinandersetzung mit der literarischen Sinnsuche, jener Quest, die als archetypische Grundstruktur seit den antiken Epen das narrative Erzählen strukturiert. Zahllose Variationen hat die Quest erfahren, eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die neben erfolgreichen Sinnsuchern vor allem im vergangenen Jahrhundert auch zahllose, verzweifelte Helden und scheiternde Reisen hervorgebracht hat. Christian Krachts Romane aber markieren das Ende der bisher geschriebenen Geschichte der literarischen Quest. Ganz im Zeichen der Postmoderne collagiert und montiert Kracht die literarischen Sinnsuchen seiner Vorläufer, von Salingers "The Catcher in the Rye" und Jack Kerouacs "On the Road" bis zu Gralsroman und Jenseitswanderung, entleert und zerstört dabei die Quest mittels Affirmation und Destruktion seiner Prätexte und führt sie damit ins 21.Jahrhundert.

Im Buch

Inhalt

Einleitung S
3
Die Sinnsuchen in den literarischen Vorlagen
9
Analogien zwischen den Romanen und ihren Vorlagen
23
Differenzen zwischen den Romanen und ihren Vorlagen
46
Abschließende Betrachtung der Queste im Erzählvorgang S
80
Literaturverzeichnis S
89
Urheberrecht

Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 31 - Aber jedenfalls stelle ich mir immer kleine Kinder vor, die in einem Roggenfeld ein Spiel machen. Tausende von kleinen Kindern, und keiner wäre in der Nähe - kein Erwachsener, meine ich - außer mir. Und ich würde am Rand einer verrückten Klippe stehen. Ich müßte alle festhalten, die über die Klippe hinauslaufen wollen - ich meine, wenn sie nicht achtgeben, wohin sie rennen, müßte ich vorspringen und sie fangen. Das wäre alles, was ich den ganzen Tag lang tun würde.
Seite 32 - ... würde die Leute bald langweilen, dachte ich, und dann hätte ich für den Rest meines Lebens alle Gespräche hinter mir. Alle würden mich für einen armen taubstummen Hund halten und mich in Ruhe lassen. Ich müßte nur Benzin und öl in ihre blöden Autos füllen und bekäme ein Gehalt dafür, und von dem verdienten Geld würde ich mir irgendwo eine kleine Blockhütte bauen und dort für den Rest meines Lebens bleiben. Die Hütte müßte am Waldrand stehen, aber nicht im Wald drinnen, damit...
Seite 35 - ... Wegschauens. [...] Zugleich sah dennoch kein Generationsangehöriger weder im ganzen Walser-BubisStreit noch im Kosovo-Krieg Anlaß, sich zu äußern." Auch Christian Krachts Protagonist äußert sich höchstens über die Schönheit der Leere. Die Phantomschmerzen der Geschichte spürt er nur noch abstrakt: „Das ist nun Heidelberg, und es ist wirklich schön dort im Frühling. Dann sind die Bäume schon grün, während überall sonst in Deutschland noch alles häßlich und grau ist, und die...
Seite 71 - Ich würde ihnen von Deutschland erzählen, von dem großen Land im Norden, von der großen Maschine, die sich selbst baut, da unten im Flachland. Und von den Menschen würde ich erzählen, von den Auserwählten, die im Inneren der Maschine leben, die gute Autos fahren müssen und gute Drogen nehmen und guten Alkohol trinken und gute Musik hören müssen, während um sie herum alle dasselbe tun, nur eben ein ganz klein bißchen schlechter.
Seite 32 - ... später, falls ich heiraten wollte oder so, würde mir dieses schöne Mädchen begegnen, ebenfalls eine Taubstumme, und wir würden heiraten. Sie würde zu mir in die Blockhütte ziehen, und wenn sie mir etwas zu sagen hätte, müßte sie es auf einen verdammten Zettel schreiben, so wie alle andern auch. Falls wir Kinder bekämen, würden wir sie irgendwo verstecken. Wir könnten ihnen viele Bücher kaufen und sie selber Lesen und Schreiben lehren.
Seite 73 - Vielleicht hat es so begonnen. Du denkst, du ruhst dich einfach aus, weil man dann besser handeln kann, wenn es soweit ist, aber ohne jeden Grund, und schon findest du dich machtlos, überhaupt je wieder etwas tun zu können. Spielt keine Rolle, wie es passiert ist.
Seite 71 - ... im Flachland. Und von den Menschen würde ich erzählen, von den Auserwählten, die im Inneren der Maschine leben, die gute Autos fahren müssen und gute Drogen nehmen und guten Alkohol trinken und gute Musik hören müssen, während um sie herum alle dasselbe tun, nur eben ein ganz klein bißchen schlechter. Und daß die Auserwählten nur durch den Glauben weiter leben können, sie würden es ein bißchen besser tun, ein bißchen härter, ein bißchen stilvoller.
Seite 27 - Kampen gelegen habe, wir beide auf dem Bauch, und das kleine Mädchen war eingeschlafen, und ich habe ihr den weißen Sand über den Arm rieseln lassen und beobachtet, wie sich der feine Sand in ihren Armhärchen verfangen hat. Davon ist sie aufgewacht [...] dann haben wir zusammen [...] eine Sandburg gebaut. (F, S. 18) Mit diesen Parallelen rekurriert Christian Kracht in „Faserland...
Seite 27 - Geruch: wenn das Meer lange nicht gesehen hatte und sich riesig darauf freute und die Holzbohlen durch die Sonnenstrahlen so einen warmen Duft ausgeströmt haben. Das war ein freundlicher Geruch, irgendwie verheißungsvoll und, na ja warm. (F, S. 12) Ähnlich wie in Salingers „The Catcher in the Rye...
Seite 34 - Ich denke an die Hände der Geschäftsleute und an die der Betriebsräte, wie sie aufeinanderprallen beim Klatschen, die fetten Wursthände, die ganz rosa werden vom vielen Klatschen, und ich wünsche ihnen, mitsamt ihren Swatch-Understatement-Uhren, die sie auf dem Rückflug von Pattaya im Dutyfree in Bangkok gekauft haben, den Tod.

Bibliografische Informationen