Die Wildbahngestüte Westfalens: Geschichte, Entwicklung und Zukunft

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Tenea, 2006 - 328 Seiten
Wildbahngestüte, Dülmener Wildpferde, Geschichte. - Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Geschichte der Wildbahngestüte Westfalens, von denen nur die Wildbahn im Merfelder Bruch im Besitz der Herzöge von Croy noch heute besteht. Die Gründung der Wildbahngestüte verliert sich im Dunkel der Vorzeit, ihre Auflösung fällt zumeist in die Zeit der Markenteilungen ab Beginn des 19. Jahrhunderts. Das verarbeitete Quellenmaterial stammt aus der Zeit von ca. 1300 bis 2006. Der Bearbeitungsschwerpunkt liegt hier beim Wildbahngestüt der Herzöge von Croy, besonders im Zeitraum ab 1900. Durch Zusammenfügen des teilweise stark fragmentierten Aktenmaterials unter Zuhilfenahme anderer Quellen soll ein Gesamtbild erstellt werden, das leider nicht frei von Lücken sein kann, jedoch in der Gesamtheit betrachtet die Geschichte der einzelnen Wildbahngestüte, zeitgeschichtliche Zusammenhänge, sowie die Bedeutung der Wildbahngestüte für die Pferdezucht Westfalens erkennen lässt. Die Wildbahngestüte Westfalens entstanden zumeist in Bruchlandschaften mit ganzjährig hohem Wasserstand, Urwäldern, Heidegebieten sowie in Gebieten mit feuchten Grasflächen oder schlechten Böden (z. B. Sand), da diese durch den Menschen anders nicht nutzbar waren. Die Gegend war nur an wenigen trockenen Stellen besiedelt, Burgen sollten das Land schützen. Zunächst standen die Wildbahngestüte im Status eines wilden Gestüts, die Pferde lebten ohne Beeinflussung durch den Menschen ganzjährig im Freien. Im Laufe der Zeit erfolgte der Übergang zum halbwilden Gestüt. Bei den Hengsten wurde Zuchtwahl durch Abfangen der Junghengste und Einsatz ausgewählter Beschäler betrieben. Der Stutenstamm war konstant, Stuten und Jungtiere verblieben ganzjährig im Freien. Es erfolgte eine Winterfütterung mit Heu. Für die Wildbahnberechtigten waren die wilden Pferde ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit großem Gewinn. Wirtschaftliche Interessen (u. a. Holzkultur) der Nicht-Wildbahnberechtigten sowie die Markenteilungen führten schließlich zur Auflösung aller Wildbahngestüte mit Ausnahme der Wildbahn im Merfelder Bruch. In Westfalen gab es vier große Wildbahnen, welche die Entwicklung zum halbwilden Gestüt durchlaufen haben: die Davert, den Duisburger Wald, den Emscherbruch und den Merfelder Bruch. Daneben existierten einige kleine Wildbahnen, die mit den großen in Verbindung standen, von denen aber kaum Nachrichten erhalten geblieben sind. Der Herzog von Croy führt die Zucht des Dülmener Wildpferdes in der Wildbahn des Merfelder Bruch bis heute weiter. Umfangreiche Kultivierungsmaßnahmen führten zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Pferde. Der Bestand wuchs, die Fläche der Wildbahn musste mehrfach vergrößert werden. Ab 1910 wurden gezielt Deckhengste verschiedenster Rassen in der Wildbahn eingesetzt. Eine Veredelung mit Welsh-Ponys erfolgte ab 1928. Da die Pferde im Merfelder Bruch dadurch ihre Wildpferdemerkmale immer mehr verloren, wurden ab 1943 bevorzugt Hengste ursprünglicher Ponyrassen eingesetzt, so z. B. der Exmoorpony-Hengst "Tom Faggus" oder der Konikhengst "Nugat XII", um wieder ein Pferd vom Charakter eines Wildpferdes zu erhalten. Ebenfalls wurden in der Wildbahn geborene Hengste als Beschäler eingesetzt. Infolge der natürlichen Selektion im angestammten Biotop entstand ein einheitliches Rassebild mit zu unterscheidenden Fellfarben und Pferdetypen. Ab 1907 erfolgt jährlich am letzten Samstag im Mai der Fang der Jährlingshengste mit nachfolgender Versteigerung. Stuten werden nur sehr selten aus der Wildbahn abgegeben. Da die Herde im Merfelder Bruch vom Menschen weitgehend unbeeinflusst ist, weist sie große Bedeutung für die Verhaltensforschung auf. Die Zucht außerhalb der Wildbahn des Merfelder Bruchs liegt in den Händen einiger Liebhaber und wird seit 1988 durch die "Interessensgemeinschaft Dülmener Wildpferd e. V." koordiniert. Das Dülmener Wildpferd war als einzige bodenständige Kleinpferderasse Deutschlands am Aufbau von drei weiteren Rassen beteiligt. Das Lehmkuhlener Pony und das Arenberg-Nordkirchener-Pony sind heute vom Aussterben bedroht, wohingegen das Deutsche Reitpony weite Verbreitung findet. Die Pferde der Wildbahngestüte Westfalens haben als konstanter, vermutlich auf Pferden der Eiszeit wurzelnder Pferdestamm Bedeutung für die Geschichte der Haustiere. Das Dülmener Wildpferd in der Wildbahn des Merfelder Bruchs spiegelt als lebendiges Naturdenkmal einen Teil der Entwicklungsgeschichte des Pferdes sowie der Geschichte Westfalens. Tierärzte behandelten nie die Dülmener Wildpferde. Verhaltensstudien und Beobachtungen des Gesundheitszustandes der Herde, erlauben dennoch bedeutende Rückschlüsse auf Krankheiten, die in nicht artgerechter Pferdehaltung wurzeln.

Bibliografische Informationen