Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik mit Einschluss des älteren Mittellateins, Band 14

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Eduard von Wölfflin
B. G. Teubner, 1906
 

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 160 - die Verbindung und nur durch die Marter der Kunst das Werk der freiwilligen Natur. Um die flüchtige Erscheinung zu haschen, muß er sie in die Fesseln der Regel schlagen, ihren schönen Körper in Begriffe zerfleischen und in einem dürftigen Wortgerippe ihren lebendigen Geist aufbewahren. Ist es ein Wunder, wenn sich das natürliche Gefühl in einem solchen Abbild nicht wieder findet und die Wahrheit in dem
Seite 164 - jeden, der sich Mensch nennt, angeht, so sehr muß er seiner Verhandlungsart wegen jeden Selbstdenker insbesondere interessieren. Eine Frage, welche sonst nur durch das blinde Recht des Stärkeren beantwortet wurde, ist nun, wie es scheint, vor dem Richterstuhle reiner
Seite 161 - ein so viel näheres Interesse darbieten und der philosophische Untersuchungsgeist durch die Zeitumstände so nachdrücklich aufgefordert wird, sich mit dem vollkommensten aller Kunstwerke, mit dem Bau einer wahren politischen Freiheit, zu beschäftigen? Ich möchte nicht gern in
Seite 165 - betrachten, sowie er als Mensch und Weltbürger zugleich Partei ist und näher oder entfernter in den Erfolg sich verwickelt sieht. Es ist also nicht bloß seine eigene Sache, die in diesem großen Rechtshandel zur Entscheidung kommt; es soll auch nach Gesetzen gesprochen werden, die er als
Seite 172 - die sich mit einer schönen Hülle vertragen." In der Tat muß es Nachdenken erregen, daß man beinahe in jeder Epoche der Geschichte, wo die Künste blühen und der Geschmack regiert, die Menschheit gesunken findet und auch nicht ein einziges Beispiel aufweisen kann, daß ein hoher Grad und eine
Seite 159 - erscheinen, den die weise Natur dem Menschen zum Vormund setzte, bis die helle Einsicht ihn mündig macht. Aber eben diese technische Form, welche die Wahrheit dem Verstande versichtbart, verbirgt sie wieder dem Gefühl; denn leider muß der Verstand das Objekt des inneren Sinnes erst zerstören, wenn er es sich zu eigen machen will. Wie der Scheidekünstler, so findet auch der Philosoph nur durch Auflösung
Seite 165 - Geist selbst zu diktieren fähig und berechtigt ist. Wie anziehend müßte es für mich sein, einen solchen Gegenstand mit einem ebenso geistreichen Denker als liberalen Weltbürger in Untersuchung zu nehmen und einem Herzen, das mit schönem Enthusiasmus dem Wohl der Menschheit sich weiht, die Entscheidung heimzustellen! Wie angenehm überraschend, bei
Seite 164 - Philosophen wie des Weltmanns auf den politischen Schauplatz geheftet, wo jetzt, wie' man glaubt, das große Schicksal der Menschen verhandelt wird. Verrät es nicht eine tadelnswerte Gleichgültigkeit gegen das Wohl der
Seite 177 - Schranken uns der notwendigen Bedingungen ihres Daseins zu bemächtigen suchen. Zwar wird uns dieser transzendentale Weg eine Zeitlang aus dem traulichen. Kreis der Erscheinungen und aus der lebendigen Gegenwart der Dinge entfernen und auf dem nackten
Seite 177 - abgezogener Begriffe verweilen; aber wir streben ja nach einem festen Grund der Erkenntnis, den nichts mehr erschüttern soll, und wer sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt, der wird nie die Wahrheit erobern.

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