Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues: und ihren Einfluss auf die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts

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Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, 1836 - 511 Seiten
 

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 35 - Die Sprache ist gleichsam die äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache ; man kann sich beide nie identisch genug denken.
Seite 39 - Sie selbst ist kein Werk (Ergon) sondern eine Thätigkeit (Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische seyn. Sie ist nemlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den articulirten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen.
Seite 59 - Gegensatze mit allem ihm schon Bekannten und von ihm Gedachten, als eine unerschöpfliche Fundgrube, in welcher der Geist immer noch Unbekanntes entdecken und die Empfindung noch nicht auf diese Weise Gefühltes wahrnehmen kann.
Seite 10 - Die Hervorbringung der Sprache ist ein inneres Bedürfnifs der Menschheit, nicht blofs ein äufserliches zur Unterhaltung gemeinschaftlichen Verkehrs, sondern ein in ihrer Natur selbst liegendes, zur Entwickelung ihrer geistigen Kräfte und zur Gewinnung einer Weltanschauung, zu welcher der Mensch nur gelangen kann, indem er sein Denken an dem gemeinschaftlichen Denken mit Anderen zur Klarheit und Bestimmtheit bringt, unentbehrliches.
Seite 56 - Der Mensch lebt mit den Gegenständen hauptsächlich, ja, da Empfinden und Handeln in ihm von seinen Vorstellungen abhängen, sogar ausschließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt. Durch denselben Act, vermöge dessen er die Sprache aus sich herausspinnt, spinnt er sich in dieselbe ein, und jede zieht um das Volk, welchem sie angehört, einen Kreis, aus dem es nur insofern...
Seite 70 - Man kann die Sprache mit einem ungeheuren Gewebe vergleichen, in dem jeder Theil mit dem andren und alle mit dem Ganzen in mehr oder weniger deutlich erkennbarem Zusammenhange stehen.
Seite 101 - Ueberhaupt erinnert die Sprache oft, aber am meisten hier, in dem tiefsten und unerklärbarsten Theile ihres Verfahrens, an die Kunst. Auch der Bildner und Maler vermählt die Idee mit dem Stoff, und auch seinem Werke sieht man es an , ob diese Verbindung , in Innigkeit der Durchdringung, dem wahren Genius in Freiheit entstrahlt oder ob die abgesonderte Idee mühevoll und ängstlich mit dem Meissel oder dem Pinsel gleichsam abgeschrieben ist.
Seite 72 - In der Wirklichkeit wird die Rede nicht aus ihr vorangegangenen Wörtern zusammengesetzt, sondern die Wörter gehen umgekehrt aus dem Ganzen der Rede hervor.
Seite 51 - Bedingung des Denkens des Einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit. In der Erscheinung entwickelt sich jedoch die Sprache nur gesellschaftlich, und der Mensch versteht sich selbst nur, indem er die Verstehbarkeit seiner Worte an Andren versuchend geprüft hat.
Seite 98 - Redefügung lässt sich aber nicht auf Gesetze zurückführen, sondern hängt von dem jedesmal Redenden oder Schreibenden ab. Die Sprache hat dann das Verdienst, der Mannigfaltigkeit der Wendungen Freiheit und Reichthum an Mitteln zu gewähren, wenn sie oft auch nur die Möglichkeit darbietet, diese in jedem Augenblick selbst zu erschaffen. Ohne die Sprache in ihren Lauten, und noch weniger in ihren Formen und Gesetzen zu verändern, führt die Zeit durch wachsende Ideenentwickelung, gesteigerte...

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