Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen

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Mohr Siebeck, 2002 - 444 Seiten
English summary: How did the West German judiciary deal with the crimes of mass murder committed by Germans during the National Socialist regime? Was it successful in punishing National Socialist crimes, or did it fail to prosecute the criminals adequately? In this work, Kerstin Freudiger does a diversified analysis based on what in her opinion was an unequal treatment of the various groups of National Socialist crimes and National Socialist criminals in comparable situations. She demonstrates this by using the sentences meted out to the four groups of major crimes committed by the National Socialists as examples: the extermination of the European Jews, 'euthanasia', the war of destruction and judicial crimes. German description: Wie ist die westdeutsche Justiz mit den massenhaften Totungsverbrechen umgegangen, die in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von Deutschen verubt wurden? Kann von einer gelungenen Ahndung der NS-Verbrechen oder von einem Fehlschlag der Verfolgungspraxis die Rede sein?Kerstin Freudiger geht in ihrer Analyse von einer ungleichen Behandlung der verschiedenen Gruppen von NS-Verbrechen und NS-Verbrechern bei vergleichbarem Sachverhalt aus. Sie weist dies anhand von Urteilen zu den vier Gruppen von Grossverbrechen des Nationalsozialismus nach: dem Verbrechen der Vernichtung der europaischen Juden, der 'Euthanasie', des Vernichtungskrieges und der Justizverbrechen.Tendenziell wurden jene Verbrechenskomplexe von der westdeutschen Justiz nur begrenzt oder zum Teil gar nicht geahndet, an denen die burgerlichen Fuhrungsschichten wie die Arzteschaft, die Justiz und die Wehrmacht beteiligt waren. In dem Masse, wie die Funktionseliten des NS-Staates in die westdeutsche Gesellschaft eingegliedert wurden, verschlechterten sich etwa ab 1948 die Bedingungen fur die Ahndung der 'Euthanasie'-, Justiz- und Kriegsverbrechen. Bei der Verfolgung von Verbrechen an den europaischen Juden sind dagegen uber den gesamten Zeitraum der Rechtsprechung starkere Tendenzen zu einer Ahndung festzustellen. Hier neigten die Gerichte allerdings zu einer Teil-Exkulpation der Angeklagten uber deren Einstufung als 'Mordgehilfen'. Diese Entwicklung kann nicht mit den gesetzlichen Grundlagen fur die Ahndung von NS-Verbrechen erklart werden - fur die Tendenz zur partiellen oder vollstandigen Exkulpation nationalsozialistischer Staatsverbrecher ist ganz wesentlich die Nachkriegsjustiz selbst verantwortlich.

Autoren-Profil (2002)

Kerstin Freudiger, Geboren 1971; 1990-95 Studium der Politikwissenschaft und Deutschen Sprachwissenschaft an der Universitat Hannover; 1999 Promotion; 1999-2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin von Inge Wettig-Danielmeier, MdB; seit 2001 Referentin im Ministerburo des Niedersachsischen Justizministeriums.

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