Frau Bürgelin und ihre Söhne: Roman

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Fischer, 1900 - 336 Seiten
 

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Beliebte Passagen

Seite 202 - Wie sollte sie ... zu jener gelassenen Mutterentsagung gelangen, die einzig imstande ist, junge Menschen weise und gütig zu hüten und wachsen zu lassen — jene Mutterresignation, die von ihrem eigenen Fleisch und Blut nichts für sich verlangt . . . die das Beste ihrer Lebenssäfte, ihrer Geistes- und Seelenkräfte freudevoll heiter dahinschenkt an ein Werdendes, und dann dem Werdenden alle Türen öffnet und es hinausläßt ins Weite auf eigene Bahnen und nichts mehr begehrt — keinen Dank,...
Seite 157 - Als sage diesen Frauen ein Geheimnis in den innersten Gründen ihrer Natur, indem sie dem Geschlechte ihren Tribut zahlen, würden sie jene Kraft, Helle und Schärfe des Geistes verlieren, durch die sie sich über ihr Geschlecht erhoben haben.
Seite 117 - Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, Will ich in meinem inneren Selbst geniefsen, Mit meinem Geist das Höchst...
Seite 41 - ... Frau, deren eigene psychische Bedürfnisse und Wesensstruktur diesem Wollen deutlich im Wege stehen. Wahrhaftig lassen sich ihre Gefühle für Karl nicht in den zeitgenössischen Diskus der instinktiven Mutterliebe einordnen: Es war überhaupt kein erfreulicher Anblick, der verdrossene, hagere Junge. Ihre ganze kunstvolle, auf das Anmutige und Schöne gerichtete Selbsterziehung, ihr Geschmack, vor dem sie beinahe Ehrfurcht empfand, lehnte sich gegen ihn auf. So war es schon in der ersten Stunde...
Seite 157 - Mutterschaft, welche heute so viel strebende und schaffende Frauen erfaßt hat. Eine Angst, ein Abscheu, der so stark, so lebenleitend in ihnen geworden ist, daß man fast an einen dunklen, perversen Instinkt glauben möchte. Der doch wie alle widernatürlichen Instinkte, durch grausame Notwendigkeiten empfangen und geboren und durch sie mächtig geworden ist. Als sage diesen Frauen ein...
Seite 314 - Laß ihre ganze Existenz eine Lüge sei, ihr Streben, in Schönheit zu leben, hohl und nichtig, weil es eine Abwendung von der Natur bedeute, daß ihr tägliches Dasein in dieser künstlichen, überheizten, blumenduftenden Zimmer-Atmosphäre, von den Weihrauchdämpfen der Schmeichelei umgeben, sie rettungslos dem Ziel entgegenführe, dem sie so angstvoll zu entgehen strebe: einem geistigen Niedergang, einem frühen kläglichen Ende.
Seite 160 - Schwalben umherzuflattern schielten, wo Kornähren auf sanftem Himmelblau sich wiegten, wo das Briefpapier mit Tannenzweigen gemalt war und ein Eichhörnchen die Tinte in einer geöffneten Nußschale dem Gast entgegenhielt. Den jungen Männern dagegen wurde bänglich, wie sie ihre langen, ungeschickten Glieder bewegen sollten. ohne etwas von den Niedlichkeiten schrecklich zu zerstören.
Seite 192 - ... Kindern als destruktive Kraft. Die Mutter hemmt und erschwert den natürlichen Entwicklungsgang ihrer Söhne, dadurch daß sie deren Zukunft den eigenen Vorstellungen gemäß formen will: "Die beiden Knaben wurden ihr zu einem Eigentum, zu dem Stoff, an dem sie sich bethätigen wollte. Weicher Ton waren sie ihr, dem sie nach eigenem Willen und Geschmack die Form geben wollte, die ihr gut dünkte.
Seite 58 - das bringt mich so auf: eine Mutter hat doch die Pflicht und Schuldigkeit, zu fühlen, womit sie einem weh thut. Hat sie das nicht — von Natur — ja warum, zum Teufel, soll ich sie da überhaupt als meine Mutter anerkennen?

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