Harmoniezwang und Verstörung: Voyeurismus, Weiblichkeit und Stadt bei Ferdinand von Saar

Cover
Walter de Gruyter, 02.11.2011 - 357 Seiten

Der österreichische Autor Ferdinand von Saar (1833-1906) gehört zu den wenig beachteten Erzählern des 19. Jahrhunderts und wurde bislang von der Forschung fast ausschließlich als Vorläufer der Wiener Moderne wahrgenommen. Die Studie möchte die verengte Sicht auf den Autor aufbrechen und untersucht Saars Texte in all ihren Widersprüchen, die den philosophischen und wissenschaftlichen Diskursen des späten 19. Jahrhunderts entstammen (Schopenhauer; Materialismus). Unter Rückgriff auf z.T. unedierte Quellentexte und Briefe kann gezeigt werden, dass Saars Schreiben zwar von dem permanenten Wunsch nach Idealismus und Harmonie getrieben wird, aber immer mehr einem kompromisslosen und destruktiven Weltverständnis weicht. Dabei scheint gerade ein kulturwissenschaftlicher Ansatz für Saars Texte besonders ergiebig zu sein: Die Verortung seines Schreibens im Wien des späten 19. Jahrhunderts verquickt die Stadtgeschichte (Ringstraßenbau, Industrialisierung) mit der Geschichte des Individuums und der Frauengeschichte (Genderdiskurs) sowie neuen urbanen Wahrnehmungsformen (Voyeurismus), die alle gemeinsam auf die zunehmend prekäre Situation des Subjekts in der Moderne verweisen. Die Textanalyse konzentriert sich dabei insbesondere auf die Erzählungen Saars, die heute als der interessanteste Teil seines Werks gelten können; außerdem werden zahlreiche Gedichte zur Interpretation herangezogen.

 

Inhalt

Das Projekt der Novellen aus Österreich
170
Die urbane Topographie Saars
173
Ödnis Wüste Oase
177
Die Innere Stadt und die ländlichen Vororte
185
Die Vorstadt als das Unbewußte der Stadt
191
Die Spuren des Weiblichen
204
31 Bürgerliche Raumtrennung und Topik der Psyche
206
Zur Rolle des Interieurs
213

Zum problematischen Verhältnis zweier Generationen am Beispiel Saars und der Autoren der Wiener Moderne
43
Saars anthropologische Verunsicherung
65
Schopenhauer Darwin und der Materialismus
70
13 Das Schicksal als Notwendigkeit Determinismus als Ende der Subjektautonomie
85
2 Medizin Natur und Fortschritt in Doktor Trojan
91
Textuelle Konsequenzen der neuen Anthropologie
98
Offener Materialismus und Pessimismus
103
Voyeurismus und Subjektkonstitution
109
Freud und die Folgen
112
Voyeurismus als Preisgabe der Subjektautonomie
114
Vom Projektionsapparat zur dunklen Kammer der Psyche
117
Der Erzähler als Voyeur
120
Das Haus Reichegg und Die Geigerin
123
Leutnant Burda
127
Visuelle Verfahren als imaginiertes Begehren eines männlichen Bewußtseins
133
32 Fensterblicke und Madonnenblicke
144
Strategien der Sublimierung in der frühen Erzählung Innocens
151
Ambivalenzen des Raums
157
11 Orte des Übergangs Passagen zwischen Raum und Zeit
161
Psychoanalyse Stadtanalyse die zweite Stadt
165
Zur Ambivalenz des Gartenraums
219
Die Österreichischen Festdichtungen
223
Saars Beitrag zum Ringstraßenbau
224
Die Österreichischen Festdichtungen im Vergleich
228
Konstruktionen des Weiblichen
237
Zur Diskussion weiblicher Autorschaft in Sappho
239
13 Der Mythos der männlichen Autorschaft
246
Geschlechterkonstellationen in der Lyrik
252
Imaginierte Weiblichkeit im Text
258
21 Trieblosigkeit oder Triebbesessenheit der Frau? Weiblichkeitsentwürfe des 19 Jahrhunderts zwischen Asexualität und Erotomanie
259
Die entsexualisierte Frau
264
Die Gefährdung männlicher Vernunft durch die triebhafte Frau Die Troglodytin
280
Variationen des Hysteriediskurses
289
Inszenierungen und Theatralität in Ninon
293
32 Anpassung und Abwehr Zur symbolischen Sprache der Hysterie in Schloß Kostenitz
298
33 Unser Haus war meine Welt Das Wienerkind zwischen Emanzipation und Abhängigkeit
305
Schluß
317
Bibliographie
321
Register
345
Urheberrecht

Andere Ausgaben - Alle anzeigen

Häufige Begriffe und Wortgruppen

Bibliografische Informationen