Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste: in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern, Band 64

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J. f. Gleditsch, 1857
 

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 325 - Nie vielleicht hat ein Mann schöner gesprochen als Herder, wenn man, was bei Berührung irgend einer leicht bei ihm anklingenden Saite nicht schwer war, ihn in aufgelegter Stimmung antraf. Alle seltenen Eigenschaften dieses mit Recht bewunderten Mannes schienen, so geeignet waren sie für dasselbe, im Gespräch ihre Kraft zu verdoppeln. Der Gedanke verband sich mit dem Ausdruck, mit der Anmut und Würde, die, da sie in Wahrheit allein der Person angehören, nur vom Gegenstande herzukommen scheinen.
Seite 325 - Erahnen übrig läßt, und in dem Helldunkel, das doch nicht hindert, den Gedanken bestimmt zu erkennen. Aber wenn die Materie erschöpft war, so ging man zu einer neuen über. Man förderte nichts durch Einwendungen, man hätte eher gehindert. Man hatte gehört, man konnte nun selbst reden, aber man vermißte die Wechseltätigkeit des Gesprächs.
Seite 325 - Sie schien ihm Erholung, nicht Anstrengung. Dies zeigte sich am meisten im Gespräch, für das Schiller ganz eigentlich geboren schien. Er suchte nie nach einem bedeutenden Stoff der Unterredung, er überließ es mehr dem Zufall, den Gegenstand herbeizuführen, aber von jedem aus leitete er das Gespräch zu einem allgemeineren Gesichtspunkt, und man sah sich nach wenigen Zwischenreden in den Mittelpunkt einer den Geist anregenden Diskussion versetzt.
Seite 360 - Oft reiß ich mich aus der Stadt los, und fliehe in einsame Gegenden, dann entreißt die Schönheit der Natur mein Gemüt allem dem Ekel und allen den widrigen Eindrücken, die mich aus der Stadt verfolgt haben; ganz entzückt, ganz Empfindung über ihre Schönheit, bin ich dann glücklich wie ein Hirt im goldnen Weltalter und reicher als ein König.
Seite 325 - Gewinne zu, er beherrschte dies Streben, und schwebte in vollkommener Freiheit über seinem Gegenstande. Daher benutzte er in leichter Heiterkeit jede sich darbietende Nebenbeziehung, und daher war sein Gespräch so reich an den Worten, die das Gepräge glücklicher Geburten des Augenblicks an sich tragen. Die Freiheit that aber dem Gange der Untersuchung keinen Abbruch.
Seite 325 - Anhaltend selbsttätige Beschäftigung des Geistes verließ ihn fast nie und wich nur den heftigeren Anfällen seines körperlichen Übels. Sie schien ihm Erholung, nicht Anstrengung. Dies zeigte sich am meisten im...
Seite 360 - Alle Gemälde von stiller Ruhe und sanftem, ungestörtem Glück müssen Leuten von edler Denkart gefallen; und um so viel mehr gefallen uns Scenen, die der Dichter aus der unverdorbenen Natur herholt, weil sie oft mit unsern seligsten Stunden, die wir gelebt, Ähnlichkeit zu haben scheinen. Oft reiß...
Seite 325 - Gesichtspunkt, und man sah sich nach wenigen Zwischenreden in den Mittelpunkt einer den Geist anregenden Diskussion versetzt. Er behandelte den Gedanken immer als ein gemeinschaftlich zu gewinnendes Resultat, schien immer des Mitredenden zu bedürfen, wenn dieser sich auch bewußt blieb, die Idee allein von ihm zu empfangen, und ließ ihn nie müßig werden.
Seite 328 - Teil des wissenschaftlichen Stoffes aus Büchern wird erlernt werden müssen, wie dies an seinem Orte sich finden wird. Die Weisen aber, wie der Meister seinem Lehrlinge sich enthüllt, sind folgende: Examina, nicht jedoch im Geiste des Wissens, sondern in dem der Kunst. In diesem letztern Geiste ist jede Frage des Examinators, wodurch das Wiedergeben dessen, was der Lehrling gehört oder gelesen hat, als Antwort begehrt wird, ungeschickt und zweckwidrig. Vielmehr muß die Frage das Erlernte zur...
Seite 288 - Und dann wieder über eine Weile wird die Welt noch feiner werden. Und es wird fortgehen, mit Eile nun, die höchste Höhe der Verfeinerung hinan. Den Gipfel erreichend wird noch einmal sich wenden das Urteil der Weisen; wird zum letzten Male sich verwandeln das Erkenntnis. Dann — und dies wird das Ende sein — dann * Georg Christoph Lichtenberg. „Vermischte Schriften" (Neue Original- Ausgabe 1867), Bd.

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