Das Ehe-Buch: eine neue Sinngebung im Zusammenklang der Stimmen führender Zeitgenossen

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Hermann Graf von Keyserling
N. Kampmann Verlag, 1925 - 428 Seiten
 

Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 217 - Wo der Begriff der Schönheit obwaltet, da büßt der Lebensbefehl seine Unbedingtheit ein. Das Prinzip der Schönheit und Form entstammt nicht der Sphäre des Lebens; seine Beziehung zu ihr ist höchstens streng kritischer und korrektiver Natur.
Seite 218 - muß die Ehe dasein"; denn wahrhafte Liebestreue sei nur möglich in der Ehe und durch sie. Wirklich ist die Ehe sowohl eine Auswirkung und Schöpfung des Treueinstinktes, wie seine Erzeugerin, seine Schule, sein Nährboden, seine Bewahrerin. Sie sind eins; es ist nicht zu sagen, was eher war, die Ehe oder die Treue, und im Zusammenhang mit der Homoerotik gedacht, werden sie gleichermaßen absurd. Alles, was die Ehe ist, nämlich Dauer, Gründung, Fortzeugung, Geschlechterfolge, Verantwortung, das...
Seite 218 - Aber die Kunst, trotz des Zusammenhanges von Tod und Schönheit wunderbarerweise doch lebenverbunden, liefert aus sich auch wieder die Antitoxine; Lebensfreundlichkeit, Lebensgutwilligkeit bilden doch auch einen der Grundinstinkte des Künstlers; ein gewisser Einschlag von Lebensbürgerlichkeit und Ethik macht ihn jedenfalls...
Seite 218 - Es ist eine sehr angenehme Empfindung, wenn sich eine neue Leidenschaft in uns zu regen anfängt, ehe die alte noch ganz verklungen ist. So sieht man bei untergehender Sonne gern auf der entgegengesetzten Seite den Mond aufgehn und erfreut sich an dem Doppelglanze der beiden Himmelslichter.
Seite 303 - Jeder Mann trägt das Bild der Frau von jeher in sich, nicht das Bild dieser bestimmten Frau, sondern einer bestimmten Frau. Dieses Bild ist im Grunde genommen eine unbewußte, von Urzeiten herkommende und dem lebenden System eingegrabene Erbmasse, ein ,Typus...
Seite 217 - Wer leugnet, daß damit sittlich ihr Urteil gesprochen ist? Es ist kein Segen bei ihr, als der der Schönheit, und das ist ein Todessegen. Ihr fehlt der Segen der...
Seite 215 - Bubenkopf" hat mit der tendenziösen Haarschur der frühen Rechtlerinnen nicht das geringste mehr zu tun. Aber ein gewisser Begriff von Männlichkeit — galant, hahnenmäßig, roh, geblüht, dumm-herablassend und dumm-venerierend zugleich; die Atmosphäre des bürgerlichen Tanzsaals, gespannt und albern, erotisch, steif, förmlich, schlüpfrig und töricht — das kommt abhanden. Der Vorgang, so läßt sich sagen, läuft auf eine Art von beiderseitiger Vermenschlichung hinaus, die Kameradschaft...
Seite 217 - Sie ist >freie< Liebe im Sinn der Unfruchtbarkeit, Aussichtslosigkeit, Konsequenz- und Verantwortungslosigkeit. Es entsteht nichts aus ihr, sie legt den Grund zu nichts, ist >l'art pour l'art<, was ästhetisch recht stolz und frei sein mag, doch ohne Zweifel unmoralisch ist. Sie selbst hegt das innere Gefühl ihrer Aussichtslosigkeit, Wurzellosigkeit, ihrer Nicht-Gebundenheit an die Zukunft, ihres Mangels an Zusammenhang.
Seite 216 - Interesse der Natur also, für welche die Liebesillusion nur ein Trick der Verführung, ein Mittel zu ihren fertilen Zwecken ist, werden ästhetisch-humanerweise schlagende Argumente schwerlich beigebracht werden können. Wo der Begriff der Schönheit obwaltet, da büßt der Lebensbefehl seine Unbedingtheit ein. Das Prinzip der Schönheit und Form entstammt nicht der Sphäre des Lebens; seine Beziehung zu ihr ist höchstens streng kritischer...
Seite 222 - Urinstitution durch die Zeit kann immer nur Übergang, nicht wirklich Ende und Auflösung bedeuten. Wie heute alles und jedes, ist auch die Ehe im Übergang begriffen; an ihr Ende, ihr Aufhören zu glauben, wäre absurd. Gibt es heute mehr „unglückliche Ehen...

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